Über die im Film verwendeten Quellen und Motive

3. Der Jacques-Rivette-Film:
Jeanne la Pucelle – Les Batailles, Jeanne la Pucelle – Les Prisons (1993)

Im Vorwort zu Sven Stolpes Jeanne d‘Arc-Biogrphie schreibt Ida Friederike Görres: „Jeanne d’Arc wird immer wieder mit politischen, nationalen, romantischen, sentimentalen, erbaulichen, psychologisierenden Masken verhüllt“ (11). Sven Stolpe hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Hüllen zu entfernen und die wahre Jeanne zu zeigen. „Danach ist die Studie eine kritische, die bewußt die verfälschende Legende mit wissenschaftlichem Handwerkszeug beseitigt und zugleich das Buch eines Gläubigen, Sehenden und Liebenden.“ (12) Ähnliches trifft auf die Verfilmung Jacques Rivettes zu, der sich ebenfalls bemüht, die Jungfrau von Orléans von dem idealisierenden Schleier zu befreien und ein möglichst natürliches Bild Johannas in ihrem mittelalterlichen Umfeld darzustellen.

Der Regisseur Jacques Rivette wird 1928 in Rouen geboren, ist Mitarbeiter der Zeitschrift Cahiers du cinéma und gehört seit 1958 zu den Regisseuren der Neuen Welle. Die Titelrolle mit Sandrine Bonnaire zu besetzen, ist ein echter Glücksgriff des erfahrenen Filmemachers. So würdigt beispielsweise der ‚Focus’ in einer Filmkritik die schauspielerische Leistung Sandrine Bonnaires als „Meilenstein der Jeanne d’Arc-Verfilmungen“ (13) Wer mit der Jeanne d’Arc-Thematik vertraut ist, wird sich zudem über die zahlreichen historischen Originalzitate freuen. Und diejenigen Zuschauer, die erst damit anfangen, sich mit der Jungfrau von Orléans zu befassen, können sicher sein, hier zuverlässige Informationen zum Thema zu erhalten.

Im Abspann weist Rivette darauf hin, daß ihm im Wesentlichen die Werke der französischen Historiker Régine Pernoud und George Duby als Vorlage für seinen Film dienten. Die Werke dieser namhaften französischen Historiker basieren wiederum weitgehend auf den von Jules Quicherat veröffentlichten Prozeßakten. Im Jahre 1787 hatte der Jurist L'Averdy damit begonnen, die Prozeßakten der Jungfrau von Orléans, nach gründlicher Recherche und Überprüfung der Originalmanuskripte, zu publizieren. Das umfassend recherchierte und kritisch überarbeitete Werk L‘Averdys wird von den Historikern des 19. Jahrhunderts, unabhängig davon, welcher politischen Richtung sie angehören, allgemein als „das quellenmäßige Fundament für eine grundsätzliche Erneuerung der Jeanne-d‘Arc-Geschichtschreibung“ (14) betrachtet. Doch es ist Jules Quicherat, der als erster in einem wissenschaftlich fundierten Werk die vollständigen Prozeßunterlagen der Öffentlichkeit zugänglich macht. Die Société de l'Histoire de France hat den damals fünfundzwanzigjährigen im Jahre 1840 mit dieser Aufgabe betraut. Neun Jahre widmet Quicherat der kritischen Aufarbeitung der Dokumente. (15)

Die perfekte Recherche, die Liebe des Regisseurs zur Jeanne d’Arc-Thematik und nicht zuletzt die schauspielerische Leistung von Sandrine Bonnaire, welche mit ihrer sympathischen Ausstrahlung in der Rolle der Pucelle d’Orléans überzeugt, machen diesen Film zu einem unschlagbaren Highlight unter den Jeanne d’Arc-Verfilmungen!

 
Kerstin Klein


Quellen

11) Stolpe, Sven, Seite 10
12) ebd.
13) Filmkritik im Focus, 29.08.1994
14) Krumeich, Gerd, Seite 28
15) vgl. Duby, Georges, Seite 190

Mai 2005



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Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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