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Über die im Film verwendeten Quellen und Motive

2. Victor Fleming:
Johanna von Orléans (1948)

Der 1948 in den USA produzierte Farbfilm basiert auf dem Theaterstück des Autors Maxwell Andersson, der übrigens auch am Drehbuch beteiligt ist. Überdies verfügt der Film über einen gewissen historischen Anspruch, was darauf schließen läßt, daß hier Quellen vorlagen, die in einem Zusammenhang mit den Prozeßakten stehen. Sei es, daß die von Jules Quicherat erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemachten Prozeßakten selbst, oder die hervorragenden Werke der französischen Historiker Georges Duby oder Régine Pernoud, als Grundlage für den Film dienten. Ebenso besteht hier die Möglichkeit, daß Drehbuchautoren und Regisseur zuvor Einblick in eine der gut recherchierten Biographien, beispielsweise von Anatole France, hatten.

Im September 1946 wendet sich die Playwrights Company, der unter anderem die Dramatiker Maxwell Anderson, Robert E. Sherwood sowie der Komponist Kurt Weill angehören, an Ingrid Bergman, da die Titelrolle von Andersons neuem Stück Joan of Lorraine, mit ihr besetzt werden soll. Ingrid Bergman willigt ein, noch ehe sie das Skript gelesen hat, da Anderson einerseits als hervorragender Schauspieldichter gilt und andererseits ist es bereits seit langem ihr Wunsch einmal die Rolle der Jungfrau von Orléans zu spielen.

Das Stück Andersons spielt im 20. Jahrhundert, in dem die Schauspieler vor dem Problem stehen, eine Jeanne d’Arc- Aufführung zu inszenieren. Anderson selbst äußert sich wie folgt über das Ziel seines Stückes: “Es ist schwierig, über das Problem zu schreiben, was man glauben soll und wie der Mensch seinen Glauben in einer Welt der Machtpolitik und Desillusion verteidigen kann. Man kann das nicht direkt tun, aber es ist kein neues Problem. Davon wurden schon Sokrates, Lincoln, Jeanne d’Arc und viele andere geplagt. Ich habe mir Joan of Lorraine dafür ausgesucht, weil sie weit entfernt von unserer Zeit gelebt hat. Die Szenen aus ihrem Leben bieten bei der Probe einen vollkommenen Kontrast und geben den Schauspielern eine echte Chance, eine neue Welt zu schaffen und sie auf einer kahlen Bühne zu installieren.” (6)

Am 18. November 1946 wird Joan of Lorraine im New Yorker Alvin Theatre mit großem Erfolg uraufgeführt.“ Das Stück erzählt die Geschichte einer Schauspielerin namens Mary Grant (Ingrid Bergman). Sie akzeptiert schließlich die Notwendigkeit, bei der Interpretation bestimmter Episoden aus dem Leben Jeanne d’Arcs in kleinen Kompromissen zu schließen, um die größeren Wahrheiten der geistigen Bedeutung der Jungfrau zu erreichen.” (7)
Die Spielzeit der Produktion Andersons wird zwar auf lediglich sieben Monate begrenzt, doch der Erfolg spricht für sich. Im Frühjahr des folgenden Jahres erhält Ingrid Bergman für ihre schauspielerische Leistung nicht nur die Auszeichnung Drama League of New Yorks Gold Medal “für die beste Bühnendarstellung des Jahres” (8), sondern auch den Antoinette Perry Award.

Nachdem Joan of Lorraine so großen Anklang gefunden hat, ist es nicht verwunderlich, daß Ingrid Bergman ihre Interpretation der Jeanne d’Arc gerne filmisch umsetzen möchte. Gemeinsam mit Andrew Salt verfaßt Maxwell Anderson das Drehbuch, welches allerdings insofern stark von dem Bühnenstück abweicht, als nun auf das epische Stilmittel der Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft verzichtet wird und statt dessen - sich eng an das Faktenmaterial haltend - lediglich der Lebensweg der historischen Figur nachgezeichnet wird.

Victor Fleming, der bereits 1939 den Filmklassiker "Vom Winde verweht" inszeniert hat, führt nun auch bei der Johanna von Orléans-Produktion mit Ingrid Bergman Regie, wobei dieser - für damalige Verhältnisse - aufwendige Historienfilm mit Produktionskosten von fünf Millionen Dollar aufwartet und damit eine Million Dollar mehr verschlingt als "Vom Winde verweht" (9).

Die Dreharbeiten des Films beginnen nach gründlicher Recherche im Januar 1948. Die hohen Produktionskosten sind dadurch gesichert, daß sie von Ingrid Bergmans Ehemann, dem Produzenten Walter Wanger, von ihr selbst und von Victor Fleming getragen werden." Anderson hatte mit Joan of Lorraine ein intellektuell provokatives, wenn auch nicht gerade klassisches Schauspiel geboten [...]” (10), wohingegen die Jeanne d‘Arc-Verfilmung, an deren Drehbuch er mitwirkte, ebenfalls mit der überragenden Ingrid Bergman in der Hauptrolle, zu einem echten Johanna von Orléans-Klassiker avancierte.

 
Kerstin Klein


Quellen

6) Brown, Curtis F. Seite 104
7) ebd., Seite 105
8) ebd., Seite 105
9) ebd., Seite 106
10) ebd., Seite 110

Mai 2005



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Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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