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Über die im Film verwendeten Quellen und Motive

5. Luc Besson:
Johanna von Orléans (1999)


Dem Film-Jahrbuch 2001 zufolge soll der Film in Frankreich bereits in den ersten 14 Tagen 1,6 Millionen Zuschauer gehabt haben. (16) Dabei handelte es sich bei den meisten Kinobesuchern wohl nur um reine Neugier, die nach einer gewissen Zeit wieder abflaute, denn aus weiterer Quelle ist mir bekannt, daß der Film in Frankreich für leere Kinos sorgte und sogar in den USA nicht den gewünschten Erfolg verbuchen konnte. Mit seiner exaltierten Johanna von Orléans hat der französische Regisseur Luc Besson zumindest bei seinen Landsleuten, die sich in ihrem Stolz hinsichtlich ihrer Nationalheldin verletzt sahen, „für leere Kinos gesorgt.“ (17) Das amerikanische Publikum hatte nichts für Bessons Jeanne d’Arc-Verfilmung übrig und selbst Kollegen verrissen seine Johanna von Orléans. Stein des Anstoßes war wohl nicht allein die Tatsache, daß hier ein Modell in der Titelrolle zu sehen ist, welches obendrein noch mit dem Regisseur verheiratet ist, sondern auch die extrem rationalistische Interpretation der Jungfrau von Orléans. (18)
Angeblich soll Besson bei den Vorbereitungen des Films mit dem Jeanne d‘Arc-Museum in Orléans zusammengearbeitet haben, wo er genaue Daten über die Anzahl der in den Schlachten getöteten Menschen, Maße der Türme und Anzahl der Leitern erhalten habe. (19)

Dies klingt zunächst zwar nach perfekter Recherche, die sich in diesem Fall inhaltlich jedoch kaum auf den Film auswirkt. Das heißt, die angeblich von Besson beschafften Fakten können erstens vom Zuschauer während des Films nicht nachvollzogen werden und zweitens sind sie für den filmischen Kontext in diesem Fall im Grunde völlig belanglos. Luc Besson behandelt die eigentliche Jeanne d‘Arc-Geschichte nur am Rande, sie dient quasi als Rahmenhandlung.

Luc Besson steht in dem Ruf, sich als Regisseur nicht sonderlich um die Absichten des „feinen, geistreichen französischen Films“20 zu kümmern, sondern es vorzieht, Geschichten nach seinen Vorstellungen mit amerikanischen Schauspielern zu besetzen und mit großem finanziellen Aufwand auf die Leinwand zu zaubern. Desgleichen paßt seine Verfilmung der Johanna von Orléans hervorragend in das für ihn so charakteristische Genre. Besson interessiert sich auch bei der Umsetzung dieser historischen Thematik in keiner Weise für das, was der Zuschauer hier erwartet, beziehungsweise als angemessen empfinden würde. Überdies interessiert sich der Regisseur weder für die historischen Abläufe, noch für den Mythos, denn zur Umsetzung seiner Jeanne d’Arc-Version benutzt er zwar in groben Zügen die Rahmenhandlung des geschichtlichen Hintergrunds, doch an einer veristischen Wiedergabe der historischen Ereignisse ist ihm nicht gelegen. „Geradezu ärgerlich ist die Flapsigkeit, die Besson an den Tag legt: Neben ernsten Schlachtenszenen finden derbe Witze statt. Der französische König wird komplett als Idiot dargestellt, allerdings gelingt John Malkovich diese Rolle nicht besonders, durchblitzendes Genie und Dämlichkeit geben keine gute Mischung ab. Auch die fast stümperhaft eingesetzten Symbole und vermeintlich psychologischen Zwischenschnitte sind nur Standardrepertoire, das ihm hätte besser gelingen können.“ (21)

Ein weiteres Manko verursacht die deutsche Synchronisation, durch welche die Protagonistin mit ihrem hysterischen Gekreische und permanentem Gejammer und Geschnaufe den Eindruck einer Wahnsinnigen erweckt. In gewisser Weise mag dies zwar beabsichtigt sein, doch eventuelle schauspielerische Leistungen Milla Jovovichs werden somit nicht unbedingt hervorgehoben: „Ein gequälter Blick ist noch nicht das höchste der mimischen Gefühle.“(22)

Als erstes fallen dem Regisseur, der völlig unbekümmert und leichtfertig ein historisches Thema meinte aufgreifen zu müssen, Frankreich und England zum Opfer. Konnte der Zuschauer zu Beginn des Films noch annehmen, es erfolge eine Laudatio auf das von den Engländers so gebeutelte Frankreich, das nun die von Gott gesandte Jeanne aus den Händen der Feinde befreien soll, so weicht die von Besson gezeigte Jungfrau von Orléans-Figur am Ende doch ganz erheblich von dem traditionellen Jeanne d’Arc-Bild ab: Es stellt sich heraus, daß Jeanne keinesfalls von Gott auserwählt wurde, um dem geplagten französischen Königreich die langersehnte Rettung zu bringen, sondern sie gesteht letztendlich ein, daß Eitelkeit und Rachsucht sie zu ihren Taten getrieben haben.

Diese Auslegung stieß bei den Franzosen verständlicherweise auf wenig Gegenliebe, sahen sie ihre Nationalheldin hier doch gnadenlos vom Sockel gestoßen. Allerdings läßt der Regisseur auch an den Engländern kein gutes Haar: Bereits zu Beginn der Handlung werden sie als rücksichtslose, brutale Vandalen dargestellt und an diesem Bild der Briten ändert sich während des gesamten Films nichts. Engländer und Franzosen handeln gleichermaßen gewissenlos und machtgierig. Luc Besson kennt keine Tabus, sogar vor Kirche und Glauben macht er nicht Halt.: Wird er anfangs noch als Kraftquelle gelobt, die zu guten Taten inspiriert, „mit der Beichte als Institution des Glaubens legitimiert“(23), erfolgt im weiteren Verlauf auch seine Destruktion: „Gottes gutes Wirken wird in Frage gestellt, fast fühlt man sich an das Theodizee-Problem [..] erinnert.“ (24) Die Rolle der Kirche verkümmert zur konkaven Institution, die lediglich auf ihren Machterhalt ausgerichtet ist.
 
Kerstin Klein


Quellen

16) vgl. Kraemer, Seite 22 & Filmjahrbuch 2001, Seite 264
17) Fleming, Seite 5
18) Vogel, Seite 5
20) Wolfgang, Seite 3
21) ebd., Seite 3
22) ebd., Seite 3
23) Wolfgang, Seite 2
24) ebd., Seite 2

Mai 2005
 



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"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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