21.01.2018
Köpenickiade, die zum Blutrausch führt

Der Hauptmann (2017)


Der Hauptmann (2017): Milan Peschel, Max Hubacher, Frederick Lau Nach 13 Jahren in den USA und einer Vielzahl von ihm inszenierter Blockbuster ("Flightplan", "Die Frau des Zeitreisenden", "R.E.D. – Älter. Härter. Besser.") kehrt "Tattoo"-Regisseur Robert Schwentke nach Deutschland zurück, um seinen ersten Historienfilm vorzustellen: "Der Hauptmann". Der Titel erinnert nicht von ungefähr an die Geschichte des Hauptmanns von Köpenick und dessen Dramatisierung durch Carl Zuckmayer, denn auch hier kleidet sich ein Mann in eine Uniform, die ihn zum erfolgreichen Hochstapler macht. Auch diese Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten: Am Ende des Zweiten Weltkriegs steigt der Gefreite Willi Herold (Max Hubacher, "Stationspiraten", "Der Verdingbub") zum Nazi-Hauptmann auf. Aber Herold ist als Hauptfigur kein Filmheld, denn die gewonnene Macht führt bei ihm zum extremen Blutrausch.
Hervorragend erzählt Schwentke von Machtmissbrauch und Verrohung im Krieg, konterkariert aber die Intention seines eigenen Films mit einer dummen Sequenz während des Abspanns.

Ist das große Ganze der Hitler-Zeit in einen einzigen Film zu packen? Sehr schwer. Viele Filme wurden schon dafür kritisiert, nur einen Ausschnitt präsentieren zu können, zum Beispiel Dennis Gansels Film "Napola – Elite für den Führer". Im Falle von "Der Hauptmann" gelingt es Regisseur Schwentke, stellvertretend in einem normalen Soldaten das Wesen des Aufstiegs einer Person zur Allmächtigkeit zu erläutern – Willi Herold steht für Hitler, dessen sukzessiven Zugewinn an Stärke niemand kontrollierte, niemand stoppte, während sich die Allmacht in Wahn und Brutalität umsetzte.

Der Hauptmann (2017): Das Schnellgericht Herold zieht weiter. Dabei ist Willi Herold zunächst nur ein kleiner Gefreiter. Wie Hitler im Ersten Weltkrieg, übrigens. Ein kleiner deutscher Gefreiter, 19 Jahre alt, der vor den eigenen Leuten fliehen muss. Warum, wird nicht gesagt. Eventuell desertierte er. Hinter ihm her ist Hauptmann Junker (Alexander Fehling) mit seinen Leuten. Noch wälzt sich Herold im Dreck, um zu entkommen. Die bald gefundene Hauptmannsuniform in einem verlassenen Auto passt. Passt zu gut. Und macht ihn äußerlich sauber und glaubwürdig. Nacheinander liest der Zufalls-Hauptmann versprengte Soldaten auf, darunter Freytag (Milan Peschel) und Kipinski (Frederick Lau), die ihm die Uniform trotz jungen Alters abnehmen. Stets läuft er Gefahr, aufzufliegen. In den Kriegswirren geschieht dies aber nicht. Um ein authentischer Hauptmann zu bleiben, beginnt Herold mit den Morden, erst dem Erschießen eines Plünderers, schließlich mit Massenmorden in einem Kriegsgefangenenlager. Dort angekommen, erläutert Herold den "Befehl von ganz oben", um wieder für Recht und Ordnung zu sorgen.

Der Hauptmann (2017): Das Sonderkommando Herold greift durch. "Der Hauptmann" ist ein starker, stark gespielter Film, der stringent beim Thema bleibt und von Gewalt im Falle der Macht und von Unterordnung selbst im Chaos der letzten Kriegstage erzählt. Mit einem nicht unwesentlichen Manko: Schon in seinem US-Film "R.E.D. – Älter. Härter. Besser." machte Schwentke den Fehler, das Ende des Films lächerlich zu gestalten. Hier auch: Das "Sonderkommando Herold", der Trupp versprengter Soldaten des falschen Hauptmanns, attackiert in der während des Abspanns laufenden Sequenz in unserer Gegenwart zufällig vorbeikommende Passanten. Viel von der Qualität des den Zuschauer verstörenden Films geht durch diesen Unsinn verloren.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Julia M. Müller / Weltkino Filmverleih

 
Filmdaten 
 
Der Hauptmann (2017)  
 
Deutschland/Frankreich/Polen 2017
Regie & Drehbuch: Robert Schwentke;
Darsteller: Max Hubacher (Willi Herold), Milan Peschel (Freytag), Frederick Lau (Kipinski), Bernd Hölscher (Schütte), Waldemar Kobus (Lagerleiter Hansen), Alexander Fehling (Hauptmann Junker), Samuel Finzi (Roger Kuckelsberg), Wolfram Koch (Schneider), Britta Hammelstein (Gerda), Sascha Alexander Gersak (Sichner), Blerim Destani (Dahler-Kaufmann), Sebastian Rudolph (Gefreiter Paul) u.a.;
Produktion: Filmgalerie 451 (Frieder Schlaich, Irene von Alberti); Kamera: Florian Ballhaus; Musik: Martin Todsharow; Schnitt: Michal Czarnecki;

zumeist s/w; Länge: 119,12 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih der Weltkino Filmverleih GmbH; deutscher Kinostart: 15. März 2018



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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