03.11.2015

Spectre


Spectre Daniel Craigs Debüt als James Bond in "Casino Royale" war ein wichtiger Neustart für die traditionsreiche Kinoreihe. Mit dem letzten Brosnan-Bond "Stirb an einem anderen Tag" hatte das Franchise zuvor einen Tiefpunkt erreicht, für den der unsichtbare Aston Martin – das wohl schwachsinnigste Gadget der Bond-Historie – quasi stellvertretend steht. Mit "Casino Royale" holte Regisseur Martin Campbell ("Goldeneye") die Bond-Reihe auf den Boden der Tatsachen zurück. In Anlehnung an die Romane von Ian Fleming verkörperte Daniel Craig einen kantigen Bond, den es bezeichnenderweise nicht einmal interessierte, ob sein Wodka Martini geschüttelt oder gerührt ist.

Diese Zäsur hatte das Bond-Franchise bitter nötig. Genauso sinnvoll war auch der revisionistische Eingriff, den Regisseur Sam Mendes ("American Beauty") mit "Skyfall" unternahm. Hier war 007 wieder deutlich "bondiger" als in den beiden Abenteuern davor. Miss Moneypenny trat wieder auf, die MI6-Chefin Judy Dench trat ab – und wurde von Ralph Fiennes beerbt. Die Rückbesinnung auf alte Zeiten war sinnvoll. Wenn James Bond nämlich alle Gepflogenheiten über Bord wirft, wäre der Geheimagent letztlich kaum mehr von Ethan Hunt, Jason Bourne oder Jack Bauer unterscheidbar.

Der ebenfalls unter der Regie von Sam Mendes entstandene "Spectre" ist nun die logische Fortführung der bislang vier Bond-Einsätze von Daniel Craig: Ein modernisierter Bond, der zugleich Raum für Anleihen an die Klassiker der Reihe lässt.

Spectre Die Story von "Spectre" gibt sich sehr zeitgemäß. Die Doppel-Null-Agenten des britischen MI6 gelten als überholt; an ihre Stelle sollen die lückenlose globale Überwachung und Drohneneinsätze rücken. Auch James Bond wird nach einem unautorisierten Einsatz in Mexiko-Stadt unbefristet suspendiert. In London soll der Bürokrat Max Denbigh (Andrew Scott) den MI6 zum Teil eines weltweiten Überwachungsnetzwerks umformen, für das sich ein halbes Dutzend nationaler Geheimdienste verbünden wollen. Bond ist es derweil herzlich egal, dass er ein Auslaufmodell ist. Stattdessen folgt der Superagent in Begleitung der Ärztin Madeleine Swann (Léa Seydoux) einer Spur, die ihn zu der mysteriösen Terrororganisation S.P.E.C.T.R.E. führt. Wie sich herausstellt, verfolgt deren Oberhaupt Franz Oberhauser (Christoph Waltz) das gleiche Ziel wie der neue MI6 – die totale Überwachung der weltweiten Kommunikation.

"Die Toten leben", verheißt ein Text-Insert am Anfang von "Spectre". Dieses Motto bezieht sich nicht nur auf die spektakuläre Auftaktsequenz in Mexiko-Stadt, wo Bond vor der fiebrigen Kulisse des "Día de los Muertos" ein Attentat vereitelt, sondern auch auf den weiteren Handlungsverlauf, der den seit "Casino Royale" gesponnenen roten Faden um Bonds getötete Geliebte Vesper Lynd zu Ende erzählt. Erstmals in der Geschichte der Bond-Reihe hängen vier Teile inhaltlich zusammen, auch wenn die Verbindungslinien letztlich ziemlich oberflächlich ausfallen.

Als Verbindungskitt fungiert der von Christoph Waltz gespielte Bösewicht Franz Oberhauser, der sich als der "Autor aller Schmerzen" von Bond zu erkennen gibt. Viel mehr als diese griffige Ansage liefert das Drehbuch allerdings nicht, um Bonds Schicksal seit "Casino Royale" in die bisweilen verworrene "Spectre"-Handlung einzubetten. Man erfährt zwar so einiges, doch wie alles genau zusammenhängt, bleibt nebulös. Ebenso löchrig bleibt die Motivation von Franz Oberhauser, die die Drehbuchautoren fahrlässig aus dem Handgelenk schütteln.

Spectre Christoph Waltz spielt Franz Oberhauser exakt so, wie man es sich vorstellt, und tätigt mit seinen deutsch-österreichischen Wurzeln quasi nebenbei einen Fingerzeig auf die klassischen deutschen Bond-Bösewichte, allen voran Gert Fröbe als Auric Goldfinger. Einen Rückgriff unternimmt Sam Mendes außerdem mit der bereits im Titel angekündigten Wiederkehr der Unterweltorganisation S.P.E.C.T.R.E., deren einstiger Leiter Ernst Stavro Blofeld als Bonds hartnäckigster Erzfeind in mehreren Teilen der Reihe auftrat. Daneben gibt es mit Mr. Hinx (Dave Bautista) wieder einen Oberschurken-Helfer, der die seit "Casino Royale" ad acta gelegte Tradition der schlagfertigen Handlanger wieder aufleben lässt. Sogar der Humor der Roger Moore-Ära hält recht unerwartet Einzug in "Spectre", was wohl vor allem Fans der 80er-Jahre-Bonds zu schätzen wissen.

Ernüchternd fällt der Kurzauftritt von Monica Bellucci aus, die mit großem Getöse als "das älteste Bond-Girl aller Zeiten" angekündigt wurde. Im fertigen Film absolviert Bellucci lediglich zwei Szenen und ein harmloses Nümmerchen mit Bond. Ganz anders ergeht es dem eigentlichen Bond-Girl. Die aus "Blau ist eine warme Farbe" bekannte Léa Seydoux überzeugt als Madeleine Swann, die pikanterweise die Tochter des Gegenspielers aus "Ein Quantum Trost" ist. Ihr Auftritt erinnert an die von Eva Green verkörperte Vesper Lynd, die ja wie erwähnt als Geist aus der Vergangenheit über dem gesamten Plot von "Spectre" schwebt.

Erzählerisch ist "Spectre" etwas holprig geraten. Mit seiner wie bei "Skyfall" starken Inszenierung macht Sam Mendes den einen oder anderen erzählerischen Lapsus jedoch wett. Von der packenden Eröffnungsszene in Mexiko-Stadt über eine rasante Autoverfolgungsjagd quer durch Rom bis zu einer explosiven Actionszene im schneebedeckten Altaussee bietet "Spectre" allerhand Schauwerte auf drei Kontinenten. Das ändert aber nichts daran, dass "Spectre" weder "Casino Royale" noch "Skyfall" toppen kann.  

Christian Horn / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Sony Pictures

 
Filmdaten 
 
Spectre (Spectre) 
 

Alternativtitel: James Bond 007 - Spectre

GB 2015
Regie: Sam Mendes;
Darsteller: Daniel Craig (James Bond), Christoph Waltz (Oberhauser), Léa Seydoux (Madeleine Swann), Ralph Fiennes (M), Monica Bellucci (Lucia), Ben Whishaw (Q), Naomie Harris (Moneypenny), Dave Bautista (Hinx), Andrew Scott (C), Rory Kinnear (Tanner), Jesper Christensen (Mr. White), Alessandro Cremona (Marco Sciarra), Stephanie Sigman (Estrella), Marc Zinga (Moreau) u.a.;
Drehbuch: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth; Produzenten: Barbara Broccoli, Michael G. Wilson; Kamera: Hoyte Van Hoytema; Musik: Thomas Newman; Schnitt: Lee Smith;

Länge: 148,27 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Sony Pictures; deutscher Kinostart: 5. November 2015



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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