09.11.2012
James Bonds dysfunktionale Geheimdienst-Familie

Skyfall


Skyfall: Daniel Craig als James Bond 007 und der Aston Martin DB5 James-Bond-Filme trumpfen stets mit Innovationen auf. Für den dritten Einsatz von Daniel Craig als Geheimagent 007 nach "Casino Royale" (2006) und "Ein Quantum Trost" (2008) gilt dies auf eine Weise, die manchem eingefleischten Bond-Fan nicht unbedingt gefallen dürfte. Begann mit Craigs Auftritt in "Casino Royale" eine neue Ära – in dem Film wurde Bond neu eingeführt, als ob es die vorangegangenen Filme nie gegeben hätte –, versucht man auch in "Skyfall" Neuartiges: Der Film ist manchmal bedächtig inszeniert und zeigt seinen Helden aus ungewohnten Blickwinkeln. Fast alle Kritiken waren deswegen voll des Lobes. Dem braucht man sich nicht anzuschließen, auch wenn die Actionszenen stimmig inszeniert sind.

Was alle Schurken dieser Welt freut, geschieht endlich in "Skyfall": James Bond stirbt – so sieht es zumindest anfangs aus. Der Agent Ihrer Majestät wird scheinbar erschossen und fällt in einen Fluss. Den Schussbefehl gab 007s Chefin. Sie traut ihm offenbar nicht mehr zu, einen Zweikampf auf einem fahrenden Zug zu bestehen. Bonds Gegner, dem der Schuss galt, kann mit einer nun nicht mehr streng geheimen V-Mann-Liste, die zu zahlreichen Enttarnungen führen wird, entkommen. Bond, der als tot gilt, aber in Wirklichkeit überlebt hat, kehrt aus seinem Ruhestand erst zurück, als seiner Chefin und der alten Arbeitsstätte von allen Seiten Gefahr droht.

Rechtzeitig zum 50. Geburtstag der Filmreihe kommt das 23. Abenteuer des britischen Geheimagenten James Bond in die Kinos. Offiziell ist es der 23. Film mit dem Superagenten, denn nicht mitgezählt sind zwei "Casino Royale"-Verfilmungen (1954, 1966) und "Sag niemals nie" (1983), die von anderen Produktionsfirmen stammen. Nicht mitgezählt ist auch der Olympia-Kurzfilm von Danny Boyle, in dem Daniel Craig als James Bond Queen Elizabeth II. höchstpersönlich zu einem Hubschrauber eskortiert. Aus dem ein Double der Königin mit dem Fallschirm über dem Stadion abspringt, damit die Queen die Olympischen Spiele 2012 in London eröffnen kann.

Skyfall: Judi Dench als M James Bond hat, wie alle wissen, eine Chefin im Geheimdienst MI6, die vergleichbar mächtig, sachlich-nüchtern und schlau ist wie die Queen: M, gespielt von Judi Dench. In den meisten Bond-Filmen ist M auf die Rolle einer Stichwortgeberin reduziert. Die Ausnahme war "Die Welt ist nicht genug" (1999), in dem M der Rache einer jungen Frau ausgesetzt ist und kämpfen muss. Man muss die Drehbuchautoren von "Skyfall" dafür kritisieren, dass sie dieses Motiv wieder aufgreifen – aus alt mach neu. Sie übernehmen auch einen Einfall aus dem ersten Pierce-Brosnan-Bond-Film, "GoldenEye" (1995): Ein ehemaliger MI6-Agent wird abtrünnig und kämpft aktiv gegen London und James Bond. In "Skyfall" ist dies Silva, übertrieben chargierend dargestellt von Javier Bardem. Silva will eine alte Rechnung begleichen: M ließ ihn einst fallen. Jetzt jagt Silva M, er will sich rächen. "Mami war sehr böse", erklärt Silva Bond zur Begründung seiner Vergeltungspläne. Die beiden Antipoden haben eine Art Ödipuskomplex abbekommen, wie man bei Bond am Ende des Films ausführlich vorgeführt bekommt. M steht hier erstmals für "Mutter" – eine Psychologisierung, die in Ansätzen steckenbleibt, weil sie nicht weiter thematisiert wird. Dabei war Sam Mendes, der erstmals bei einem Bond-Film Regie führt, mit "American Beauty“ 1999 ein Meisterwerk unter den Beziehungsdramen gelungen. In "Skyfall" sind Bond und Silva zwei ungleiche Brüder, jeder auf seine Weise von "Mutter" enttäuscht. Spektakulär: Silva befummelt den gefesselten Bond. Dieser reagiert darauf anders, als ein Bond-Fan es von dem Macho 007 erwartet. Was hier angedeutet ist, wird nicht weiter verfolgt.

Skyfall: Daniel Craig, Javier Bardem Irritierend auch einige Mankos im Drehbuch, die den Zuschauern zugemutet werden: In Istanbul ist Silvas Killer Patrice (Ola Rapace) nach der Ermordung von MI6-Agenten und mehreren Fluchtminuten überraschend immer noch in Nähe des Tatorts präsent und James Bond kann die Verfolgung sofort aufnehmen. Ein weiteres Beispiel: Patrice erschießt in Shanghai einen Menschen. Wen und warum, erfährt man nicht. Nicht überzeugend auch, dass 007 am Ende des Films für sein eigenmächtiges Handeln mit ernsten Folgen nicht zur Verantwortung gezogen wird – das Gegenteil ist der Fall, Bond ist in der MI6-Familie wieder herzlich willkommen.

Der Secret Service braucht James Bond. Als er nicht zur Verfügung stand, ließ sich der Geheimdienst von Silva, der immer einen Schritt voraus ist, an der Nase herumführen. Ein Geheimdienst, der gegenüber Terroristen versagt. Kennen wir Deutschen da nicht einen aktuellen Fall?  

Michael Dlugosch / Wertung: * * (2 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Sony Pictures

 
Filmdaten 
 
Skyfall (Skyfall) 
 
GB / USA 2012
Regie: Sam Mendes;
Darsteller: Daniel Craig (James Bond), Judi Dench (M), Javier Bardem (Silva), Ralph Fiennes (Gareth Mallory), Naomie Harris (Eve), Bérénice Marlohe (Severine), Ben Whishaw (Q), Albert Finney (Kincade), Rory Kinnear (Tanner), Ola Rapace (Patrice), Helen McCrory (Clair Dowar) u.a.;
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan; Produktion: Michael G. Wilson, Barbara Broccoli; Kamera: Roger Deakins; Musik: Thomas Newman; Schnitt: Stuart Baird; Titelsong co-geschrieben und gesungen von Adele;

Länge: 143,10 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Sony Pictures Releasing GmbH; deutscher Kinostart: 1. November 2012



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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