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23. November 2006
James, blond und blauäugig
Casino Royale (2006) Es wird alles anders als bisher in der wohl bedeutendsten, auf jeden Fall langlebigsten Spielfilmserie der Welt. Das versprach Produzentin Barbara Broccoli und behielt recht. Es war notwendig geworden: Zuletzt diente James Bond als wenngleich charismatische Kampfmaschine in immer gleich wirkenden Actionsequenzen. Tiefpunkt beim Treten auf der Stelle in der Entwicklung des Geheimagenten: ein unsichtbares Auto. Nun löst der von den Fans vorweg angefeindete Daniel Craig Pierce Brosnan ab. In einem Film mit Tiefgang und blutigem, zumeist ironielosem Ernst. Aber auch mit einer teils unverständlichen Story.
"Das wäre dem anderen nie passiert" ließ das Dialogbuch 1969 George Lazenby als James Bond ironisch in die Kamera sagen, als am Anfang des Films "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" eine Frau ihn sitzen lässt, vor ihm flüchtet, die zuvor seine Hilfe benötigte und erhalten hat. Mit dem Film geschah eine Zäsur. Erstmals wurde in einem Film der damals noch recht jungen Spielfilmserie - es war der sechste Teil - ein neuer Darsteller eingeführt. Der bisherige, Sean Connery, hatte keine Lust mehr (und sollte später doch noch zweimal in die Rolle zurückkehren). Der Wechsel der Schauspieler war zu gewagt und Lazenby konnte sich als Geheimagent Ihrer Majestät nicht halten. Es lag auch an dem auf Connery anspielenden Satz. Immerhin, Lazenbys Bond durfte, was keiner der insgesamt sechs verschiedenen Darsteller in den 21 offiziellen Bond-Filmen durfte: sich glücklich verlieben, heiraten - und sogleich aber Witwer werden.
Die Chronologie umzudrehen, machte noch aus einem anderen Grund Sinn: Endlich verfilmt das Produzententeam um Barbara Broccoli und Michael G. Wilson wieder einen James-Bond-Roman aus der Feder seines Erfinders, des 1964, also im "Goldfinger"-Jahr verstorbenen Ian Fleming. "Casino Royale" war der erste, den Agenten einführende Roman 1953. Das Produzententeam in Erbfolge (zuvor waren es Barbara Broccolis Vater und Michael G. Wilsons Stiefvater Albert R. Broccoli und Harry Saltzman) kam aber an Verfilmungsrechte um diesen Roman nie heran, bis jüngst. So wurde "Casino Royale" gleich zweimal zuvor anderweitig verfilmt, schon 1954 als TV-Film, mit Barry Nelson als James Bond und Peter Lorre als Schurke Le Chiffre, dann 1966 erneut, aber als skurrile Komödie, mit fünf Regisseuren, darunter John Huston, einem Score von Burt Bacharach und einem Nonplusultra an Darstellern: David Niven (als Bond), Orson Welles (als Le Chiffre), Peter Sellers, Woody Allen, Ursula Andress (als Vesper Lynd) und zahlreichen Gastauftritten wie denen von George Raft und Jean-Paul Belmondo. Nun haben Barbara Broccoli und Michael G. Wilson die Filmrechte inne und halten sich bei ihrer Verfilmung weitestgehend an die Vorlage, in der Bond auch erst als Doppelnull-Agent anfangen muss, um sich hochzuarbeiten. Martin Campbell übernahm die Regie, den die Produzenten schon von "GoldenEye" (1995) her kannten. Und da deutsche Schauspieler stets die Qualität der Serie forcierten (Gert Fröbe, Lotte Lenya, Curd Jürgens u.a.), sind diesmal gleich sieben deutschsprachige Darsteller (Clemens Schick, Ludger Pistor u.a.) dabei. Und Gunther von Hagens' Schau "Körperwelten" wird von Bond ein Besuch abgestattet - bald erweitert um eine Leiche.
Michael Dlugosch /
Wertung:
* * * (3 von 5)
Quelle der Fotos: Sony Pictures Filmdaten Casino Royale (Casino Royale) USA / GB 2005 Regie: Martin Campbell; Darsteller: Daniel Craig (James Bond), Eva Green (Vesper Lynd), Mads Mikkelsen (Le Chiffre), Caterina Murino (Solange), Judi Dench (M), Simon Abkarian (Dimitrios), Jeffrey Wright (Felix Leiter), Giancarlo Giannini (Mathis), Isaach De Bankolé (Steven Obanno), Ludger Pistor (Bankier Mendel), Jesper Christensen (Mr. White), Ivana Milicevic (Valenka), Tobias Menzies (Villiers), Sébastien Foucan (Mollaka), Ade (Infante), Urbano Barberni (Tomeli), Tsai Chin (Madame Wu), Charlie Levi Leroy (Gallardo), Lazar Ristovski (Kiminovski), Tom So (Fukutu), Veruschka (Gräfin von Wallenstein), Clemens Schick (Kratt), Jürgen Tarrach (Schultz), Daniel Andreas (Croupier), Richard Sammel (Gettler), Michael G. Wilson (Polizeipräsident) u.a.; Drehbuch: Neal Purvis und Robert Wade, Paul Haggis; Produktion: Michael G. Wilson, Barbara Broccoli; Ausführende Produktion: Anthony Waye, Callum McDougall; Kamera: Phil Méheux; Musik: David Arnold; Titelmelodie: "You Know My Name" von Chris Cornell; Länge: 145 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Sony Pictures Releasing Group; deutscher Kinostart: 23.11.2006
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