6. März 2003

Unbefriedet und unbefriedigt

Frida

Den von ihr lang anvisierten Spielfilm hat die mexikanische Schauspielerin Salma Hayek endlich in die Tat umsetzen können: "Frida", die Künstlerbiografie ihrer Landsmännin Frida Kahlo (1907 - 1954), mit Hayek in der Titelrolle und als Produzentin eines Films, der detailliert und mit mexikanischer Würze garniert den Lebensweg der zeitlebens unter körperlichen Gebrechen leidenden Malerin verfolgt. Während Frida Kahlos Kunststilrichtung als naiv-gegenständlich gilt, so ist zu bedauern, dass jene dieses Films definitiv so bezeichnet werden muss, obwohl geleistete Mühen, der Lebensleistung einer großen Künstlerin ein angemessenes Porträt zu widmen, "Frida" nicht abzusprechen sind.

Frida: Filmplakat "Man hielt mich für eine Surrealistin. Das ist nicht richtig. Ich habe niemals Träume gemalt. Was ich dargestellt habe, war meine Wirklichkeit."
Diese aus dem Jahr 1938 stammende Aussage von Frida Kahlo über sich und ihre Bilder ist bezeichnend: Während der tatsächliche Surrealist Salvador Dalí häufig zerfließende Uhren wegen ihrer Vanitas-Motivik darstellte, so waren Gebrechen, Schicksal und Tod bei der mexikanischen Künstlerin deutlich expliziter - zumeist in Skeletten - illustrierte Themen. Der Hintergrund dieser drastischen Expressionen erschließt sich, wenn man bedenkt, dass Frida Kahlo als lebenslustige Frau zeitlebens körperliche Grenzen aufgezeigt bekam: Als ohnehin an Kinderlähmung erkrankter Teenager verunglückt sie 1922 im Straßenverkehr, das Stützkorsett ist ihr weiterer Begleiter. Ein treuerer Begleiter jedenfalls als fortan Diego Rivera (Alfred Molina), jene ebenso große mexikanische Maler-Legende, eine Legende schon, als Frida noch angehende Kunststudentin war. Auf diesen beiden Elementen konstruiert sich "Frida": Wie sieht das Leben einer Frau aus, die trotz Krankheiten, die unweigerlich in einen sukzessiven Verfall führen, versucht, sich dagegen zu behaupten - und sich zu behaupten gegen die Polygamie ihres geliebten Gatten? Für den Sex zwischendurch entschuldbar, weil, wie er meint, nicht mehr sei als ein Händeschütteln?

Frida Das ist das große Verdienst der Regisseurin Julie Taymor, deren zweiter Film nach der just (und lediglich) in den Videotheken erschienenen Shakespeare-Verfilmung "Titus" (1999) mit Sir Anthony Hopkins "Frida" ist, nachdem sie auf der Musicalbühne erste Erfolge feierte: Taymor stellt klar das berühmte Ehepaar in den Vordergrund und setzt auf die Ergänzung und gleichzeitige Polarisierung der mit- wie gegeneinander strebenden äußerlichen und innerlichen Kräfte der beiden: Die nimmermüde, angriffs- wie lebens- wie liebeslustige Frau ist klein und schmächtig, ihre Zerbrechlichkeit plastisch und im Film immer anwesend, an ihre Seite gestellt ist die in Größe und Breite körperliche Übermacht in Person, Diego. Die Kontrastierung dieses Verhältnisses trägt den Film "Frida" nicht nur über seine Längen hinweg, sie ist das Hauptthema: Die Spannungen in der Ehe bis zur Schmerzgrenze und wie man doch eine Einheit bildet, weil man sich als Weggefährten in der Arbeit arrangiert, wie gar die Spannungen in eine extrovertiert pfeffrige Sinnlichkeit umgemünzt werden, auch im Wissen der beiden sich letztendlich Liebenden, dass Frida Kahlo von ihrem Körper zu früh besiegt werden wird und auch ihr Lebenswille keine Chance hat - ein Wissen, das der über den Lebensweg der Mexikanerin informierte Zuschauer mehr als nur teilt.

Frida Als Drama über die Leidenszeit einer zerschundenen Frau, die sich ihrem Körper und anderen Negativumständen dennoch zu stellen bereit ist, ist "Frida" geradezu genial; als Vita der Künstlerin Kahlo nicht: Julie Taymor hat sich mehr als nur das vorgenommen, sie will alles über Frida Kahlo Bekannte in den Inhalt des Films einpacken und schlägt über die Stränge, so dass unmotivierte, weil nie vollends ausformulierte Akzente Überhand gewinnen. Da beispielsweise die beiden berühmtesten mexikanischen Künstler aktiv agierende Kommunisten waren, sieht man ab und zu das Schwenken roter Fahnen über vom Paar mitorganisierten Arbeiter-Demonstrationen. Da echte Kommunisten sich nicht von Protestaktionen gegen den Kapitalismus abbringen lassen, wird ein Auftragswerk für Nelson Rockefeller (Edward Norton) mit Lenin-Abbildungen plakatiert - plakativer Vorgeschmack Taymors auf die zu dem Zeitpunkt noch ausstehende McCarthy-Ära, denn das Kunstwerk wird ein Raub der Flammen, ein in seiner Schnelle misslungener Seitenhieb auf ein linientreues Amerika mit dem Sternenbanner.

Aber auch den Kommunismus in seinem Lauf hält etwas auf, dessen Zusammenbruch wird ebenso vorweggenommen und symbolisiert gleichzeitig Fridas Ende: Die beiden linken Künstler erhalten Besuch vom flüchtigen Leo Trotzki - gespielt von Geoffrey Rush, der dem Alter eine sehr angemessene Würde verleiht. Aber der Eispickel wartet schon, in ebendem Lande Mexiko, weiß der Zuschauer, genauso wie er Fridas Ende im Film erwarten muss. Er, Trotzki, der große Revolutionär, fällt den Agenten des noch mächtigeren, in Moskau daheim gebliebenen Kommunisten zum Opfer: Die Ideale zerfallen, Frida schließlich auch, und wenigstens für die Sequenzen der Pein Fridas hat Julie Taymor eine Bildsprache, die, freilich nicht ganz frei von Kitsch, den Weg zurück zur Künstlerin Kahlo angemessen findet: Die Film-Realität gleitet über in Fridas Wirklichkeit ihrer Bilder, ihr Totenbett schwebt, in Öl festgehalten, über den Dingen.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5)

Quelle der Fotos: BVI


Filmdaten

Frida
(Frida)

USA / Kanada 2002;
Regie: Julie Taymor ("Titus");
Darsteller: Salma Hayek (Frida Kahlo), Alfred Molina ("Nicht ohne meine Tochter", "Chocolat"; Diego Rivera), Geoffrey Rush ("Shine", "Lantana"; Leo Trotzki), Edward Norton ("Fight Club"; Nelson Rockefeller), Antonio Banderas (David Siqueiros), Mia Maestro (Cristina Kahlo), Ashley Judd ("Das Auge" (1999); Tina Modotti), Roger Rees (Guillermo Kahlo), Valeria Golino (Lupe Marin), Patricia Reyes Spinola (Matilda Kahlo), Diego Luna (Alejandro), Saffron Burrows (Gracie) u.a.;
Drehbuch: Clancy Sigal, Diane Lake, Gregory Nava, Anna Thomas nach der Biografie von Hayden Herrera; Kamera: Rodrigo Prieto; Musik: Elliot Goldenthal; Produktion: Sarah Green, Salma Hayek, Jay Polstein, Nancy Hardin, Lizz Speed, Miramax;

Prädikat der Film-Bewertungsstelle Wiesbaden: wertvoll;
Länge: 123 Minuten; FSK: ab 12 Jahren und feiertagsfrei; ein Film im Verleih von Buena Vista Int.



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