24.07.2003
Die Blume des Bösen
Doch dank der Anfangsszene weiß der Zuschauer, dass das Haus schon mindestens eine blutige Leiche gesehen hat, dass diese gepflegten, attraktiven und kultivierten Menschen hinter ihrer Fassade noch etwas verstecken. Und genau diese Ahnung bestätigt der Verlauf der Handlung Stück um Stück, indem immer noch ein Detail, noch eine Verstrickung, noch ein Abgrund aufgedeckt wird. Kaum ein Satz wird in dem Film gesprochen, der nicht mindestens noch eine zweite Bedeutung hat, kaum eine Geste, die eine Freundlichkeit, aber auch genauso gut eine Gemeinheit sein könnte.
Mit lustvoller Boshaftigkeit führt Chabrol diese Sippe vor, die seit Generationen an Macht und Besitz hängt, wie der Trinker am Wein. Macht und Besitz, das ist die Blume des Bösen! Die Familie muss zusammengehalten werden und die Fassade der Familie muss aufrechterhalten bleiben, das sind die zwei Grundregeln, die für den Erhalt der bösen Blume unabdingbar sind. Erstere verursacht die komplizierten Familienverhältnisse: Quer durch alle Verwandtschaftsgrade wird geliebt und geheiratet, bis hin zum Inzest. Letztere führt dazu, dass die Familienmitglieder ständig den Schein wahren müssen und ihnen damit viele normale Handlungen verwehrt bleiben. Anne darf ihren Mann dafür hassen, dass er notorisch fremd geht, aber sie darf es nicht offen aussprechen und sich erst recht nicht von ihm trennen. Gérard kann den Stimmzettel für seine Frau in der Wahlkabine zerreißen, aber vor der Presse muss er lächelnd neben ihr stehen.
Doch bei aller Freude, mit der Chabrol (auch) in diesem Film das französische Bürgertum vorführt, kritisiert und kommentiert, bleibt am Ende ein schaler Nachgeschmack, von dem schwer zu sagen ist, woher er rührt. Vielleicht bleibt er zurück, weil die Protagonisten durch ihre Zwanghaftigkeit und Ausweglosigkeit entschuldigt werden, vielleicht aber auch deshalb, weil es ihnen am Ende, trotz allem, immer noch viel zu gut geht. Frank Zimmermann /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Concorde Filmverleih Filmdaten Die Blume des Bösen (La fleur du mal) Frankreich 2003 Regie: Claude Chabrol; Darsteller: Nathalie Baye ("Der Mann, der die Frauen liebte", "Ferien für eine Woche", "Eine pornografische Beziehung", zuletzt: "Catch me if you can"; Anne), Benoît Magimel ("Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss", "Hass", "Die Klavierspielerin"; François), Suzanne Flon (Tante Line), Bernard Le Coq (Gérard), Mélanie Doutey (Michèle), Thomas Chabrol (Matthieu), Henri Attal (Schwiegervater von Fanny), Kevin Ahyi (der erste Junge), Jérôme Bertin (der Freiwillige), Françoise Bertin (Thérèse), Caroline Baehr (Fanny), Didier Bénureau (Brissot), Yvon Crenn (Yves Pouët), Jean-Marc Druet (der Laborant), Michel Herbault (der Bürgermeister), Edmond Kastelnik (der erste Wahlhelfer), Marius de Laage (der zweite Junge), Isabelle Mamere (der Reporter), Juliette Meyniac (Hélène), François Maistre (Jules), Jean-Pierre Marin (der zweite Wahlhelfer), Michèle Dascain (Marthe), Dominique Pivain (Dominique), Léa Pellepaut (die Apothekerin), Valérie Rojan (die Sekretärin von Gérard) u.a.; Drehbuch: Caroline Eliacheff, Louise L. Lambrichs, Claude Chabrol; Produktion: Nathalie Kreuther; Ausführende Produktion: Yvon Crenn; Kamera: Eduardo Serra; Musik: Matthieu Chabrol; Schnitt: Monique Fardoulis; Länge: 104 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 24. Juli 2003
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