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36. Filmfestival
Max Ophüls Preis 2015
Die Nachwuchs-Filmemacher seien älter geworden. Und damit reifer. Was man an ihren Filmen sehen könne. Dies sagte Festivalleiterin Gabriella Bandel bei der Eröffnung der 36. Ausgabe des Filmfestivals Max Ophüls Preis 2015. Sie meinte damit, junge Filmemacher begännen immer später ihre Karriere. Was in den sieben Tagen (19. bis 25. Januar 2015) beim Saarbrücker Festival zu sehen war, sollte Frau Bandels Äußerung nicht immer bestätigen: Viel cineastisches Mittelmaß war dabei, nur wenige Lichtblicke gab es im Hauptwettbewerb Langfilm. Bandel und der neue Programmleiter Oliver Baumgarten aus Köln müssen Pech mit dem Jahrgang gehabt haben. Schwierig war es für sie sicherlich, angesichts der mutmaßlichen Durchschnittlichkeit der meisten Filme, die eingereicht wurden, ein gutes Programm für den Hauptwettbewerb zu nominieren. Bandel und Baumgarten verzichteten auf Filme, die schon in Hof oder anderswo gezeigt wurden, um Ur- und deutsche Erstaufführungen an der Saar präsentieren zu können. Insgesamt 158 Filme incl. der Kurzfilme wurden gezeigt, davon 65 Produktionen in den einzelnen Wettbewerben bei 15 Auszeichnungen. 16 Filme waren im Hauptwettbewerb Langfilm vertreten. Nur einer von ihnen konnte den begehrten, mit 36.000 Euro dotierten Max Ophüls Preis erhalten. Die Wahl der Hauptjury fiel auf "Chrieg" des Schweizer Regisseurs Simon Jaquemet. Bemerkenswert: Auch die zweitwichtigste Auszeichnung des Langfilm-Wettbewerbs ging in die Schweiz, an "Driften" von Regisseur Karim Patwa.
Filme aus der Schweiz erzielen selten Erfolge, bei Filmfestivaljurys wie an der Kinokasse. Beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2015 war dies anders: Die Hauptjury, bestehend aus den Schauspielern Hannelore Hoger und Devid Striesow sowie Casterin Anja Dihrberg, Produzent Anatol Nitschke und dem Regisseur des Vorjahresgewinners "Love Steaks", Jakob Lass, kürte Filme aus dem Alpenland mit den zwei wichtigsten Auszeichnungen. Es ist ein weiterer Beleg für die Durchschnittlichkeit der 2015 in Saarbrücken gezeigten Filme, denn überragend waren beide nicht.
Beim Saarbrücker Filmfestival ist es üblich, dass nach der Filmvorstellung das Filmteam auf die Bühne kommt, um Fragen zu beantworten, Fragen des Moderators und aus dem Publikum. Da der Film die Zuschauer enervierte, dauerte die Diskussion der Filmleute mit dem Publikum viel länger als sonst, etwa 50 Minuten, und es gab viel mehr Fragen, als normalerweise. Mehr als ein Dutzend Fragen wurde gestellt, die vor allem der reale Wolfgang Rosenkötter beantwortete, Vorbild der Hauptfigur des Films. Er erzählte, er versuchte weniger wie der Film-Wolfgang mit Gegengewalt zu antworten als vielmehr, wegzulaufen, was stets misslang. Das umliegende Moor machte eine Flucht unmöglich, die Bauern der Umgebung halfen, auch wegen einer Belohnung, stets mit, Flüchtige zu fassen. Diese hatten einen schlechten Leumund, sie galten als Kriminelle, die man wieder nach Freistatt bringen müsse. Regisseur Marc Brummund, der für "Freistatt" mehr als die Auszeichnungen der Jugendjury und des Publikums verdient gehabt hätte, berichtete, er habe ein Detail weggelassen: Der Chef des Hauses Freistatt war zuvor Gestapo-Mann und präsentierte sich gerne gegenüber seinen Untergebenen in seiner alten Uniform. Eine kluge Entscheidung, das Detail auszulassen, es hätte zu dick aufgetragen gewirkt, als Zuschauer erkennt man auch so bei den Aufsehern deren alte Mentalität.
Gerd Schneiders Inszenierung ist brillant, von ihm sind weitere Filme zu wünschen. Es ist der beste Film zum aktuellen Thema Missbrauch in der katholischen Kirche bisher, Schneider weiß genau, wie Jakobs im Verlauf des Films wechselnden Empfindungen dem Zuschauer zu vermitteln sind. Sebastian Blomberg ist als überforderter Priester Jakob hervorragend besetzt.
Dubrovnik, 1993. Ein Jahr zuvor war die kroatische Stadt noch von serbischen Truppen belagert. Krieg gibt es in dem Moment immer noch in der unmittelbaren Nähe, in Bosnien. Aber der Film handelt nicht vom Krieg. Die Freundschaft zweier 14-jähriger Mädchen endet jäh, als die eine die andere während eines Streits von einer Klippe stößt. Dann übernimmt die Überlebende, Linda (Sylvie Marinkovic), den Platz ihres Opfers Eta in deren Familie ein. Mutter und Großmutter benötigen in einer Art psychischem Wahn nach dem Verlust und der Trauer einen Halt, sie sehen in Linda mehr und mehr Eta. "Cure" könnte eine intensive, bewegende Studie über Identität und Bewältigung von Schmerz sein, erreicht aber nicht sein Ziel, im Gegenteil, der Film verbleibt im Ungefähren, plätschert vor sich hin und zermürbt den Zuschauer.
Familienbande und finstere Machenschaften im Großkapital: Schiller hätte Freude daran gehabt zu sehen, wie seine "Räuber" auf der Leinwand Wirkung erzielen. Einer der besten Filme, die in Saarbrücken liefen.
Entsättigte Farben bestimmen den Film, nur das Hochhaus, der "Bau", ist knallrot, mit glatter Fassade, so glatt wie der Film ist. Prahl, sonst ein guter Darsteller, nuschelt kafkaeske Texte, seine Figur Franz läuft wirr durch die Szenerie, bildet sich eine Familie ein, die er nicht hat – die Pointe, dass sie nicht existiert, ist keine, der Zuschauer erkennt die Einbildung schnell, wenn er es darauf anlegt. Wichtige deutschsprachige Schauspieler versinken im inszenatorischen Chaos – neben Axel Prahl sind u.a. zu sehen: Josef Hader, Robert Stadlober und Devid Striesow. Ja, Devid Striesow, der in der Jury saß und über den Film mit abstimmte. Es ist bedauerlich, dass Jochen Alexander Freydank sein Opus Magnum nicht in den Griff bekam. Immerhin ist er Oscar-Preisträger für den Kurzfilm "Spielzeugland". Zu Recht erhielt er seinerzeit den Academy Award und zuvor zu Unrecht nicht den Max-Ophüls-Kurzfilmpreis 2008. Wohl nie zuvor beim Filmfestival Max Ophüls Preis verteilten sich die vielen Auszeichnungen im Wettbewerb Langfilm auf gerade einmal vier Filme: Nur "Chrieg" (zwei Preise, darunter der Hauptpreis), "Driften" (drei Preise), "Cure" (ein Preis) und "Freistatt" (zwei Preise) erhielten sie, die zwölf anderen Filme gingen leer aus, bedauerlicherweise auch "Verfehlung". Alle Auszeichnungen für ein paar wenige, darunter nicht herausragende Filme: Es ist ein Beleg für einen diesmal schwächeren Jahrgang. Oftmals haben die Filmschaffenden für ihre Leinwandwerke kein schlüssiges, den Zuschauer zufriedenstellendes Ende gefunden. "Freistatt" und "Verfehlung" mit ihrer Professionalität trösten über manch eklatante Schwäche der anderen Produktionen dieses Festivals hinweg. Immerhin, in Saarbrücken war erneut ein vielfältiges Spektrum des deutschsprachigen Nachwuchsfilms aufgeboten worden, dessen einzelnen Protagonisten, Regisseuren wie Schauspielern, man eine gute Zukunft in der Filmbranche wünscht. Mit besseren Filmen.
Quelle der Fotos siehe jedes einzelne Foto alle Preisträger 2015:
Max Ophüls Preis: Chrieg Regie: Simon Jaquemet Filmpreis der saarländischen Ministerpräsidentin: Driften Regie: Karim Patwa Beste Nachwuchsdarstellerin: Lore Richter (Film In uns das Universum; Regie: Lisa Krane) Bester Nachwuchsdarsteller: Benjamin Lutzke (Film Chrieg; Regie: Simon Jaquemet) Fritz-Raff-Drehbuchpreis: Driften Regie: Karim Patwa Publikumspreis: Freistatt Regie: Marc Brummund Preis der Jugendjury: Freistatt Regie: Marc Brummund Preis für den gesellschaftlich relevanten Film: Cure - Das Leben einer Anderen Regie: Andrea Staka Kurzfilmpreis: Sadakat Regie: Ilker Catak Lobende Erwähnung (Wettbewerb Kurzfilm): Discipline Regie: Christophe M. Saber Publikumspreis Kurzfilm: Herman the German Regie: Michael Binz Preis der Ökumenischen Jury: Driften Regie: Karim Patwa Preis für den Besten Mittellangen Film: Alles wird gut Regie: Patrick Vollrath Publikumspreis Mittellanger Film: Fremdkörper Regie: Christian Werner Dokumentarfilmpreis: Beyond Punishment Regie: Hubertus Siegert Lobende Erwähnung (Wettbewerb Dokumentarfilm): Die Böhms - Architektur einer Familie Regie: Maurizius Staerkle Drux Förderpreis der DEFA-Stiftung: Mülheim - Texas. Helge Schneider hier und dort Regie: Andrea Roggon
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