
Abstrakter Mystizismus, stilisierte Groteske und verhohlener Zynismus, die Yorgos Lanthimos' eigenwillige Inszenierungen auszeichnen, sind die Grundfesten des höfischen Settings seines dritten englischsprachigen Werks. Dessen historischer Rahmen wird zur Bühne eines süffisanten Intrigenstücks voll doppelbödiger Konversation, vielsagender Gegenwartsbezüge und beißender Komik. Dabei besticht die strategische Ménage-à-trois im Zentrum der Handlung gleichermaßen durch messerscharfe Machtspielchen, präzise beobachtete Verhaltensmuster und unaufdringliches Mitgefühl gegenüber den Figuren. Deren vermeintlicher Egoismus enthüllt sich als pragmatischer Überlebenskampf auf einem politischen Parkett voll ausgestreckter Stolperbeine, in metaphorischem Wettlauf watschelnder Enten und Kindersatz-Kaninchen.
Besagte Haustiere sind einer der tragikomischen Verweise auf schmerzliche Opfer, welche Queen Anne (brillant: Olivia Colman) und deren Günstling Lady Sarah Churchill (Rachel Weisz) zu dem exzentrischen Regentinnen-Paar gemacht haben, das sie abgeben. Akutes Elend formt auch Sarahs tugendsame junge Cousine Abigail Masham (Emma Stone) zur kalkulierenden Aufsteigerin. Als solche bringt sie Sarah gleich doppelt um ihre Position: als Titelfigur und königliche Favoritin. Sarahs forsche Bevormundung der von Krankheit und Schicksalsschlägen gequälten Monarchin, die zwischen Großherzigkeit und kindlicher Quengelei schwankt, befördert zusätzlich das Ende beider Beziehung.
Das emotionale Verhältnis ist ein bizarres Geflecht aus Liebesaffäre, Jugendfreundschaft, Krankenbetreuung und Regierungsvertretung. Der weitreichende Einfluss der Hofdame auf die Staatsgeschäfte ist nicht nur Parteigegner Robert Harley (Nicholas Hoult) ein Dorn im Auge. Anne erkennt zunehmend die öffentliche Erniedrigung durch Sarahs herrisches Auftreten und bevorzugt die zärtliche Fürsorge Abigails. Zweite profitiert nun von Sarahs Lektionen in Staatsräson. Psychologisch ausgefeilt, schauspielerisch grandios und visuell berauschend fesselt die hintergründige Dramatisierung eines privaten und politischen Paradigmenwechsels bis zur schwarzhumorigen Schlusseinstellung ebenso als zeitaktuelles Porträt korrupter Herrschaftsstrukturen wie als geschliffener Kostümthriller.
The Favourite - Intrigen und Irrsinn (The Favourite)
Irland/GB/USA 2018
Regie: Yorgos Lanthimos;
Darsteller: Emma Stone (Abigail), Rachel Weisz (Lady Sarah), Olivia Colman (Queen Anne), Nicholas Hoult (Harley), Joe Alwyn (Masham), Mark Gatiss (Lord Marlborough), Jenny Rainsford (Mae), Basil Eidenbenz, Timothy Innes u.a.;
Drehbuch: Deborah Davis,
Tony McNamara;
Produzenten:
Ceci Dempsey,
Ed Guiney,
Yorgos Lanthimos,
Lee Magiday;
Kamera: Robbie Ryan;
Schnitt: Yorgos Mavropsaridis;
Länge: 119,53 Minuten;
FSK:
ab 12 Jahren; ein Film im
Verleih von Twentieth Century Fox; deutscher Kinostart: 24. Januar 2019
Auszeichnungen:
8 BAFTA-Awards:
Bester britischer Film: Yorgos Lanthimos, Ceci Dempsey, Ed Guiney, Lee Magiday, Deborah Davis, Tony McNamara
Beste Hauptdarstellerin: Olivia Colman
Beste Nebendarstellerin: Rachel Weisz
Bestes Originaldrehbuch: Tony McNamara
Bestes Szenenbild: Fiona Crombie, Alice Felton
Bestes Kostümdesign: Sandy Powell
Bestes Make-up und Beste Frisuren: Nadia Stacey
Bestes Produktionsdesign: Fiona Crombie, Alice Felton
10 Nominierungen für die Academy Awards 2019 (Oscar):
Bester Film
Beste Hauptdarstellerin: Olivia Colman (erhielt den Academy Award; alle anderen Nominierungen gingen leer aus)
Beste Nebendarstellerin: Emma Stone
Beste Nebendarstellerin: Rachel Weisz
Bestes Drehbuch: Deborah Davis, Tony McNamara
Beste Regie: Yorgos Lanthimos
Beste Kamera: Robbie Ryan
Bestes Kostümdesign: Sandy Powell
Bester Schnitt: Yorgos Mavropsaridis
Bestes Produktionsdesign: Fiona Crombie, Alice Felton