08.01.2017

Lion
- Der lange Weg nach Hause


Lion - Der lange Weg nach Hause: Dev Patel Die tiefe innere Verbundenheit des indischen Jungen Saroo mit seiner Familie, obwohl er in frühem Kindesalter von ihr getrennt wird, verblüfft in diesem Film und macht ihn zu einem ergreifenden Erlebnis. Schier unglaublich ist, wie sehr sich frühkindliche Ereignisse anscheinend ins Gedächtnis einprägen können, so dass sie auch nach Jahrzehnten wiederaufleben. "Lion" ist wegen der sensiblen und gekonnten Umsetzung der Autobiografie Saroo Brierleys Mein langer Weg nach Hause: Wie ich als Fünfjähriger verloren ging und fünfundzwanzig Jahre später meine Familie wiederfand sehenswert.

Saroo geht als Kind auf der Suche nach Nahrung, Diebesgut oder Arbeit eines nachts verloren, reist eingesperrt in einem Zug über tausend Kilometer weit weg nach Kalkutta, und wird aus einem Waisenhaus heraus von einer australischen Familie adoptiert. Nach mehr als zwei Jahrzehnten beginnt seine unwahrscheinliche Suche mithilfe von Google Earth nach der verlorenen Familie.

Lion - Der lange Weg nach Hause: Sunny Pawar Dev Patel, bekannt aus "Slumdog Millionär" und "Best Exotic Marigold Hotel", erhält in diesem Film die Chance, zu einem erwachsenen und ernstzunehmenden Schauspieler heranzureifen. Seine attraktive physische Erscheinung – zu Ähnlichkeitszwecken mit dem authentischen Saroo musste Dev Patel wochenlang trainieren – überzeugt genauso wie seine Fähigkeit, die Kamera nahe an sich heranzulassen, und an seiner inneren Überzeugungskraft teilhaben zu lassen. Man spürt als Zuschauer die Zweifel, die Zerrissenheit und schließlich das Überwinden derselben und das Reifwerden des jungen Mannes.

Rooney Mara, bekannt aus "Carol", mit einer scheinbar ausdrucksarmen eigenartigen Präsenz, lässt ebenfalls die Nähe des beobachtenden Auges zu. Die Liebesgeschichte ist dramatisch gut aufgebaut, nicht wort- aber gestenreich, und nimmt so nur wenig von der Erzählzeit des Films ein, ohne an Tiefe einzubüßen. Nicole Kidman sieht man ihre intensive Vorbereitung auf die Rolle an, sie ist eins mit dem Charakter der vor großen Herausforderungen stehenden Adoptivmutter.

Lion - Der lange Weg nach Hause: Nicole Kidman, Sunny Pawar Die beste Entscheidung des Filmteams aber war, die Geschichte chronologisch aufzubauen. So handelt das erste Filmdrittel von der Kindheit Saroos, mit wenigen "Pinselstrichen" ist der Zuschauer mitten in der Armut, im hungernden Elend, im Lachen von zu schnell erwachsen werdenden Kindern, in der Verzweiflung und Sorge über die nächste Mahlzeit. Mit wenigen Worten, mit einer Kamera-Einstellung, die hauptsächlich in der Höhe des Fünfjährigen bleibt, um seine Wahrnehmung beizubehalten von Erwachsenen, die sich ausbeuterisch und brutal benehmen, erfährt der Zuschauer von haarsträubenden Zuständen auf den Straßen der indischen Großstädte, wo 80.000 Kinder im Jahr verloren gehen und Schlimmstes erleben müssen. Eine innere Widerstandskraft und ein ausgeprägter Selbsterhaltungstrieb, aber auch seine Intelligenz retten Saroo aus all diesen Fallen, so dass er im Vergleich mit den anderen Kindern besser davonkommt.

Der leicht dokumentarisch anmutende Unterton des Films wirkt ab und an etwas störend, weil es klar ist, dass keine authentischen Personen zu sehen sind. Die Filmemacher ließen manchmal musikalisch oder auch verbal unkommentiert Szenen für sich sprechen, was in einem Dokumentarstreifen sehr stark wirken kann, aber in einem Spielfilm befremdlich wirkt.

Musikalisch feinsinnig und optisch mit intimen Aufnahmen umgesetzt, nimmt der Film auf eine tief emotionale Reise mit.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Universum Film

 
Filmdaten 
 
Lion - Der lange Weg nach Hause (Lion) 
 
Australien/GB/USA 2016
Regie: Garth Davis;
Darsteller: Dev Patel (Saroo), Rooney Mara (Lucy), Nicole Kidman (Sue Brierley), David Wenham (John Brierley), Nawazuddin Siddiqui (Rawa), Tannishtha Chatterjee (Noor), Abhishek Bharate (Guddu), Sunny Pawar (junger Saroo) u.a.;
Drehbuch: Luke Davies nach dem Buch "A Long Way Home" von Saroo Brierley; Produzenten: Iain Canning, Angie Fielder, Emile Sherman; Kamera: Greig Fraser; Musik: Hauschka (d.i. Volker Bertelmann), Dustin O'Halloran; Schnitt: Alexandre de Franceschi;

Länge: 118 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Universum Film GmbH; deutscher Kinostart: 23. Februar 2017



Artikel empfehlen bei:  Mr. Wong Delicious Facebook  Webnews Linkarena  Hilfe

© filmrezension.de

home
  |  regisseure/schauspieler   |  e-mail
 über uns  |  impressum  


 
 
 
 
 
Offizielle Seite zum Film
<08.01.2017>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

Drucken

Artikel empfehlen
Mr. Wong Delicious Facebook Webnews Linkarena 
Hilfe