21.01.2014

Eine filmische Wiederentdeckung

Königliche Hoheit

Ein Film aus dem Jahr 1953, der seinerzeit ein Publikumserfolg war und heute zum ständigen Repertoire des deutschen Fernsehens gehört, weckt auch in unseren Tagen Aufmerksamkeit. In Harald Brauns Adaption von Thomas Manns 1909 veröffentlichtem Roman "Königliche Hoheit" entdeckt der Zuschauer überraschende Aktualität in einer für die Adenauer-Zeit niveauvollen Literaturverfilmung, die von einer Liebesgeschichte und der Bewältigung der Finanzkrise eines Landes erzählt.

"Ein Prinz, ein Milliardär, ein Chauffeur, ein Rassehund, ein romantischer Hülfslehrer und eine Prinzessin besonderer Art treten auf. Mir selbst erscheint das Ganze zuweilen so neu und schön, dass ich in mich hineinlache, und zuweilen so läppisch, dass ich mich auf die Chaiselongue setze und zu sterben glaube." Mit diesen Worten informierte Thomas Mann 1907 einen Bekannten über seinen nach "Buddenbrooks" zweiten Roman "Königliche Hoheit", an dem er gerade arbeitete. 1953 verfilmte Harald Braun das Buch für die Produktionsfirma Filmaufbau in Göttingen und machte daraus einen bemerkenswerten Film. Übrigens erfährt gerade auch die literarische Vorlage, das Buch "Königliche Hoheit", eine Rehabilitierung in der Literaturkritik und Wissenschaft.

Thomas Mann, der große deutsche Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger, war neidisch auf seinen älteren Bruder Heinrich. Zwei von dessen Romanen, "Professor Unrat" (als "Der blaue Engel") und "Der Untertan", waren erfolgreich verfilmt worden. Thomas Mann beklagte sich darüber, dass er selber nicht so gut im Kino abschnitt. Die auf seinem großen ersten Roman "Buddenbrooks" basierende Verfilmung von Gerhard Lamprecht aus dem Jahr 1923, die lange Zeit einzige Leinwand-Adaption seiner Bücher, hielt er für missglückt. Über den später geplanten Film "Königliche Hoheit" sagte Thomas Mann: "Das ist leicht und sollte gelingen." Zwei Jahre vor Manns Tod im Jahr 1955 war es dann soweit.

Problematisch an Harald Brauns Film ist, dass er nur acht Jahre nach Hitlers Ende entstand und auf die jüngste Vergangenheit nicht eingeht. Im Gegensatz zu Filmen wie "Die Mörder sind unter uns" (1946) und "Rosen für den Staatsanwalt" (1959), beides Filme von Wolfgang Staudte, hat er eine auf den ersten Blick liebliche, den Zweiten Weltkrieg verdrängende Handlung: die Geschichte eines Prinzen, der eine deutschstämmige US-Milliardärstochter kennen- und lieben lernt. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass die Drehbuchautoren Georg Hurdalek, Hans Hömberg, Jochen Huth und Mann-Tochter Erika die Liebesgeschichte durch einen für die damalige Zeit aktuellen und ernsten Bezug vertiefen, den der wirtschaftlichen Restauration. Mit dem Geld des Vaters der "Prinzessin besonderer Art" saniert sich das kleine, verarmte deutsche Großherzogtum Grimmburg am Schluss. Zuvor stehen der Liebe der beiden, Prinz und Dollarprinzessin, Hindernisse im Wege; darunter andere als die, die Thomas Mann im Roman vorgegeben hatte. Im Buch ist die selbstbewusste Imma Spoelmann an Prinz Klaus Heinrich zwar interessiert, sein Scheindasein stößt sie aber ab. Sie wirft ihm vor, er sei ein Mann ohne Eigenschaften, habe kein Gespür für die Mitmenschen, seine Karriere als Soldat, Student, schließlich Monarch sei strikt vorgeplant gewesen, ohne dass er selber etwas leistete. Gegen Ende des Buches ändert sich Klaus Heinrich, da kümmert er sich ernsthaft um die Belange seines Volkes und der am Boden liegenden Wirtschaft seiner Provinz. Imma dankt es ihm mit der Heirat.

Harald Brauns Film streift die Problematik der Ablehnung nur am Rande, zwei andere Probleme tauchen auf: Prinz Klaus Heinrich (Dieter Borsche) und Imma Spoelmann (Ruth Leuwerik) verlieben sich, möchten aber ihre Liebe nicht zugunsten des Großherzogtums verschachert sehen, Vater Spoelmann (Heinz Hilpert) war hinter ihrem Rücken zu einer vom Hofstaat verlangten Mitgift bereit. Kaum ist dies gelöst, folgt das nächste Problem: Prinzenbruder Albrecht (Rudolf Fernau), der Großherzog, möchte abdanken und Klaus Heinrich die Thronfolge übertragen. Imma ist zwar Geldadel, aber nicht richtiger Adel. Zur Jahrhundertwende, zu der Film und Roman spielen, darf es noch keine sogenannte morganatische Ehe geben. Tränen fließen. Die Film-Imma ist nicht ganz so selbstbewusst wie die Roman-Imma. Dennoch ist der Charakter im Film für die Adenauer-Ära, in der Frauen ohne Selbstbestimmung lediglich im Haushalt arbeiten sollten, erstaunlich forsch gestaltet. Imma wird Albrecht am Ende des Films zur Rede stellen.

Dass der Film "Königliche Hoheit" ein nicht untypisches Produkt der Adenauer-Zeit ist, lässt sich des Weiteren an zahlreichen Nebenfiguren erkennen, die sich wie Knallchargen benehmen: Paul Henckels als Hofmarschall und Kurt Vespermann als Finanzminister handeln in einer Szene übertrieben chargierend genauso wie Günther Lüders als Kammerdiener in einer anderen Szene mit dem farbigen Diener von Immas Vater. Es sind pseudohumoristische Ausrutscher, die der Film sich in den 1950er Jahren, in denen man die Nazi-Zeit hinter sich lassen wollte, leistet. Aber sie gehen regelrecht unter in diesem ansonsten sehr ansehnlichen Film. Sogar Thomas Mann, der als nichtjüdischer Deutscher das Dritte Reich verlassen hatte und nicht alles an Brauns Film perfekt fand, beanstandete diese Entgleisungen nie. Und dem Filmteam kann man nicht den Vorwurf machen, erst Hitler-treu gewesen zu sein, dann schweigsam die dunklen Jahre abhaken zu wollen mit heiteren Filmen. So heiter ist der Film nicht – trotz Günther Lüders' Auftritten –, und beispielsweise Regisseur Harald Braun musste unter den Nazis die Arbeitsstätte wechseln, da er für Goebbels keine "Persona grata" mehr war.

In der Geschichte des deutschen Films fällt "Königliche Hoheit" in die Zeit zwischen Zweitem Weltkrieg und Oberhausener Manifest. Das Manifest wurde 1962 von jungen Regisseuren ausgerufen mit dem Slogan "Papas Kino ist tot", womit auch "Königliche Hoheit" gemeint war. Aber Harald Brauns Film grenzt sich qualitativ ab vom Unterhaltungskino der 1950er Jahre, vor allem dank der überzeugenden Regie, prachtvoller Ausstattung und, mehr noch, wegen seiner Schauspieler, die durch ihre Leistung den Film über den Durchschnitt heben. Neben Dieter Borsche und Ruth Leuwerik ist vor allem Lil Dagover als geistig verwirrte Gräfin zu nennen.

Der Film ist kein Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung. Er setzt sich trotzdem mit einem Thema der damaligen Zeit auseinander: Samuel Spoelmanns finanzielle Hilfe für das Großherzogtum Grimmburg ist eine Analogie zum amerikanischen Marshall-Plan für den Wiederaufbau Deutschlands. In einer Filmszene schweben Prinz Klaus Heinrich und Imma in einem Fesselballon über dem Land: Das auf dem Ballon gut erkennbare Kennzeichen D erhebt sich wieder, dank Amerikas Unterstützung, ein Jahr vor dem Wunder von Bern.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

Königliche Hoheit


BRD 1953
Regie: Harald Braun;
Darsteller: Dieter Borsche (Klaus Heinrich), Ruth Leuwerik (Imma Spoelmann), Lil Dagover (Gräfin Löwenjoul), Mathias Wieman (Dr. Raoul Überbein), Rudolf Fernau (Großherzog Albrecht), Paul Henckels (Hofmarschall Bühl zu Bühl), Günther Lüders (Kammerdiener Neumann), Paul Bildt (Staatsminister von Knobelsdorff), Heinz Hilpert (Samuel Spoelmann), Herbert Hübner (General), Kurt Vespermann (Finanzminister Krippenreuther), Tilo von Berlepsch (Adjutant Graf Schellenberg), Oskar Dimroth (Dr. Sammet), Hans Hermann Schaufuß (Hoteldirektor), Erika Mann (Oberschwester Amalie) u.a.;
Drehbuch: Hans Hömberg, Georg Hurdalek, Jochen Huth unter Mitwirkung von Erika Mann frei nach dem Roman von Thomas Mann; Produktion: Filmaufbau Göttingen; Produzenten: Hans Abich, Rolf Thiele; Kamera: Werner Krien; Musik: Mark Lothar; Schnitt: Claus von Boro;

Länge: 102 Minuten; westdeutscher Kinostart: 22. Dezember 1953



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