
Das Gold glänzt im Verborgenen: Ein heimliches Meisterwerk präsentiert Philippe Lioret in seinem vierten
Film über eine ungewöhnliche Dreiecksgeschichte an einem ungewöhnlichen Ort. Die epischen Kinobilder der
Geschehnisse rund um den Leuchtturm "La Jument" auf der bretonischen Insel Ouessant polarisieren den
Betrachter zwischen Melancholie und Lebenswillen.
Basierend auf dem Roman von Joanna Murray Smith zählt dieses cineastische Kleinod zu den vorläufigen
Höhepunkten des neuen französischen "film du terroir", eben Bildstudien über Menschen in ihrem
geographischen und sozialen Umfeld.
Das Licht am Ende der Welt bedeutet den leidvollen Anfang dieser ungewöhnlichen Geschichte; 1963,
Frankreich liegt mit Algerien im Krieg, doch Ouessant, eine kleine bretonische Insel, scheint davon unberührt.
Während der Geburtstagsfeier für die attraktive Mabé (Frankreichs heimliche Film-Vorzeige-Ikone, Sandrine
Bonnaire) steht ein wildfremder Mann namens Antoine (Gregori Dérangère) vor der Tür; er soll Mabés Mann
Yvon (Philippe Torreton) auf dem mächtigen Leuchtturm verstärken. Doch in einer noch nicht ganz verkrafteten
Nachkriegszeit, in der Bretonen fast ausschließlich noch vom Fischfang lebten und europäische Touristen just
die Adria und Costa Brava erschlossen, bläst dem "Neuen" ein eisiger Wind von Ablehnung und Hass entgegen.
Lediglich die Frauen aus dem kleinen Dorf hegen versöhnlichere Gefühle für Antoine. So auch Mabé, die
zwischen Zaghaftigkeit, Interesse und Zuneigung schwankt. Auf dem stark umbrandeten "La Jument" dagegen
beruhigt sich das Verhältnis zwischen Antoine und Yvon ein wenig. Doch während der Feier zum nationalen
französischen Feiertag am 14. Juli begehen Mabé und Antoine einen fatalen Fauxpas...
In der Tradition des puristisch-französischen "Kinos der Blicke" inszenierte Lioret ein meisterliches Werk im
Vexierspiel von grandiosen Bildern und genügsamen Bewegungen. Es ist ein Kino der kurzen Blicke und
Augenblicke, genügsamer Gesten und behutsamer Berührungen; die Protagonisten brauchen nicht zu reden,
verzichten auf langatmige Dialoge zugunsten einer mächtigen Mimik. Weniger ist in diesem Film wirklich viel
mehr. Daher vermeidet Lioret auch ständig wechselnde Schauplätze. Der 15 Meter hohe, fünfetagige Turm in
seiner gänzlichen, standhaften Kraft inmitten tosender See bleibt Hauptmotiv durch den gesamten Film. Ebenso
das Dörfchen Ouessant. Regisseur Lioret charakterisiert es plausibel: "Alles passiert hier, wir wollten uns auf
das Leben einer kleinen, nach außen hin abgeschotteten Gemeinschaft konzentrieren. Wir waren sicher: Je
genauer wir die Besonderheiten dieser kleinen Gruppe darstellen, desto größer würde das Identifikationsangebot
für den Zuschauer. Jeder sucht ja irgendwo nach seinem 'Ende der Welt'".
Entfernt erinnert dieses auch in der Film-Montage spartanische Highlight an Henrik Ibsens Buch "Die Frau vom
Meer"; dort geht es ebenso um Einsamkeit, Überleben, Flucht, aber diese Sandrine Bonnaire, unsere Frau des
Leuchtturmwärters, kommt wesentlich emanzipierter und entschlossener daher.
Die Frau des Leuchtturmwärters L'Equipier (Frankreich
2004)
Regie: Philippe Lioret;
Darsteller: Philippe Torreton (Yvon Le Guen), Sandrine Bonnaire (Mabé Le Guen), Grégori Derangère (Antoine Cassendi), Émilie Dequenne (Brigitte), Anne Consigny (Camille) u.a.;
Drehbuch: Philippe Lioret, Christian Sinniger;
Kamera: Patrick Blossier;
Musik: Nicola Piovani;
Länge: 106 Minuten;
FSK:
ab 6 Jahren;
deutscher Kinostart: 16. Juni 2005; ein Film im
Verleih von Arsenal Filmverleih