38. Filmfestival
Max Ophüls Preis 2017
![]() Im Hauptwettbewerb des MOP konkurrierten 2017, wie fast jedes Jahr, 16 Spielfilme. Eine Jury um Schauspielerin Andrea Sawatzki prämierte das österreichische Teenager-Drama "Siebzehn" als Besten Film.
Rüdiger Suchsland, Filmkritiker und neuerdings auch Dokumentarfilmregisseur, sagte vor ein paar Jahren über den Max Ophüls Preis, er sei das wichtigste Filmfestival Deutschlands nach der Berlinale. Dem kann man vorbehaltlos zustimmen. Patrick Wellinski vom Deutschlandfunk fügte jetzt hinzu: "Wenn es dieses Festival für den deutschen Filmnachwuchs nicht gäbe, müsste man es erfinden." Nur die Hofer Filmtage halten mit. In einem war Hof früher dran, abgesehen mal von der Gründung bereits im Jahr 1962: mit den berühmten Bratwürsten, mit denen sich die Gäste des Festivals in der oberfränkischen Kleinstadt stets verköstigen. 2017 steht eine Rostwurstbude vor dem Saarbrücker Cinestar, in dem der Max Ophüls Preis vor allem stattfindet.
Der MOP präsentiert sich im Jahr 2017 unter neuer Leitung. Der Kölner Oliver Baumgarten, jetzt zum dritten Mal der Programmleiter, ist weiterhin da. Die Chefin hingegen ist neu: Svenja Böttger, die 28 Jahre alt ist und damit viel jünger als das Filmfest, das sie jetzt leitet. Böttger machte frisch ihren Master in Medienwissenschaften an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam. Sie löste Gabriella Bandel ab, die relativ schmerzhaft gegangen wurde: Saarbrückens Oberbürgermeisterin und deren Kulturdezernent betrieben Bandels Ablösung. Dafür kann Böttger aber nichts. Wofür sie etwas kann, ist bemerkenswert: Neun von 16 Filmen des Hauptwettbewerbs sind von Frauen inszeniert. Da war doch mal was. Isabell Suba, Nachwuchsregisseurin, beklagte sich darüber, dass das Filmfestival Cannes keine Filme von Frauen in den Wettbewerb holt. Daher drehte sie "Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste", der es 2014 in den Hauptwettbewerb des MOP schaffte – und damals wegen des Titels am ersten Tag um 11 Uhr für einen vollen Kinosaal sorgte. Svenja Böttger hat vielleicht auf Suba und andere Filmemacherinnen gehört und den Spieß jetzt umgedreht. Die neue MOP-Leiterin setzt auf Frauenpower; 9 zu 7 für die Filmemacherinnen eben.
Filmemacherin Monja Art, die auch das Drehbuch verfasst hat, kümmert sich durchaus liebevoll und mit viel Empathie um die Emotionen ihrer Protagonisten, um deren Leid, jemanden nicht zum Partner zu kriegen oder von diesem verstoßen zu werden, kurz: um die Probleme in der Pubertät von noch nicht erfahrenen, noch verspielten, alles ausprobierenden Heranwachsenden. In der Hinsicht ist "Siebzehn" gelungen. Als künstlerisch wertvolles Werk nicht so sehr, erinnert die Dramaturgie eher an einen Fernsehfilm. Die Wahl, den Film als besten des Hauptwettbewerbs zu prämieren, ist eher als ein Trend der letzten MOP-Jahrgänge anzusehen: 2015 gewann "Chrieg"; 2016 "Einer von uns". Beide Gewinnerfilme thematisierten die Nöte Jugendlicher. In der Jury eines Jahrgangs findet sich stets der Regisseur des Vorjahres-Siegerfilms wieder. Es kann sein, dass der sich jeweils bei der Entscheidungsfindung durchgesetzt hat.
Auch für "Einmal bitte alles" unter der Regie von Helena Hufnagel, eine Koproduktion von Hufnagels Münchner Produktionsfirma Cocofilms und dem Bayerischen Rundfunk, gilt: Die Machart ist weniger cineastisch denn vielmehr auf Fernsehfilm-Niveau veranlagt.
Jens Wischnewskis Film verlangt vom Zuschauer Konzentration beim Springen durch die Zeiten: Mal zeigt der Film die frische Liebe Schimons zu Milena, dann die zur verstorbenen Jella, die in Rückblicken nacherzählt wird. "Die Reste meines Lebens" ist großes Kino mit einem Manko: Der Notarztwagen, der Jella ins Krankenhaus bringen soll, verunglückt, so dass sie ums Leben kommt. Dies ist missverständlich in Szene gesetzt, der Zuschauer hält die Szene für eine Vision Schimons, so, wie es häufiger im Film Sequenzen jenseits der filmischen Realität gibt. Beim MOP steht der Regisseur nach der Vorführung dem Publikum Rede und Antwort. Erst aus diesem Gespräch erfährt der Zuschauer, dass der Unfall echt war und den Tod der jungen Schwangeren verursacht hat, sie nicht im Krankenhaus starb.
Entkommen. Es gilt auch für "Die Liebhaberin" von Regisseur Lukas Valenta Rinner. Belén (Iride Mockert) ist gezwungen, bei Superreichen als Haushälterin zu arbeiten. Sie entdeckt hinter dem Haus eine andere Welt, ein Nudisten-Swinger-Camp, in dem sie herzlich willkommen geheißen wird. Am Ende des Films gibt es einen überraschenden Gewaltausbruch, dem niemand entkommt, die Superreichen nicht und auch nicht die FKK-Leute. Cineastisch zunächst anspruchsvoll, macht der Schluss des Films viel von dessen Qualität zunichte. Entkommen. Es gilt ebenso für Samuel (Richard Fouofié Djimeli) in "Club Europa". Samuel ist Afrikaner, dem die Flucht in die Erste Welt gelang und in einer Berliner WG aufgenommen wird. Dann erklären die Behörden seine Aufenthaltsberechtigung für illegal. Was machen die anderen WG-Mitbewohner? Halten sie zu ihm, wie versprochen? "Club Europa" erhielt den beim MOP noch recht neuen Preis für den gesellschaftlich relevanten Film. Das Ende des Films von Franziska M. Hoenisch ist zu schwammig geraten. Es erklärt keinen Ausweg aus der verfahrenen Situation.
Nicht alle Filme des Hauptwettbewerbs waren meisterhaft inszeniert. "Le Voyageur" von Timo von Gunten scheitert an endlosen Wiederholungen, um die Lauflänge zu strecken. Eine Frau trifft ihren längst verstorbenen Vater wieder. Ihre gemeinsame Reise gipfelt im Einlösen eines Versprechens des Mannes, ein Konzert zu Ehren der Tochter. Bis dahin muss der Zuschauer immer wieder die Frau ansehen, wie sie mit offenem Mund und staunend ihren Vater sucht, der auf der Reise verloren zu gehen droht. Regisseur Timo von Gunten sei hier dennoch erwähnt, hat er bei der MOP-Ausgabe 2017 noch einem zweiten Film in einem anderen Wettbewerb, dem für den Mittellangen Film, präsentiert, "La femme et le TGV" mit Jane Birkin als einsame Frau, die einen Zugführer durch ihr tägliches Winken begeistert. Von Gunten erfuhr während des Festivals in Saarbrücken, dass sein 30-Minüter für den Oscar nominiert ist.
Was bleibt vom 38. Filmfestival Max Ophüls Preis 2017 übrig? Es zählte 35.000 Besucher und 42.000 verkaufte Eintrittskarten, ein konstant gebliebener Wert, bei einer Kino-Auslastung von 78 Prozent. Wieder waren einige Stars gekommen: Neben Andrea Sawatzki und Anna Thalbach in den einzelnen Jurys kamen als Ehrengäste Senta Berger und Michael Verhoeven, der 87-jährige Marcel Ophüls, der Sohn des berühmten, in Saarbrücken geborenen Regisseurs Max Ophüls, sowie Produzent Peter Rommel, der für seine Verdienste um den deutschsprachigen Filmnachwuchs ausgezeichnet wurde; die Laudation für Rommel hielt Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) und neuerdings Co-Leiter der Hofer Filmtage; deren Co-Gründer und Leiter Heinz Badewitz starb 2016 überraschend. Die MOP-Eröffnung besuchten außerdem der aus dem Saarland stammende Bundesjustizminister Heiko Maas und seine Freundin, die Schauspielerin Natalia Wörner. Und der Hauptwettbewerb zeigte wieder einmal, dass es um deutschsprachige Jungregisseure nicht schlecht bestellt ist.
Quelle der Fotos siehe jedes einzelne Foto alle Preisträger 2017:
Max Ophüls Preis: Siebzehn Regie: Monja Art Filmpreis der saarländischen Ministerpräsidentin: Vanatoare Regie: Alexandra Balteanu Beste Nachwuchsdarstellerin: Elisabeth Wabitsch für Siebzehn (Regie: Monja Art) Bester Nachwuchsdarsteller: Leonard Kunz für Jenny (Regie: Lea Becker) Fritz-Raff-Drehbuchpreis: Die Reste meines Lebens Regie: Jens Wischnewski Publikumspreis Spielfilm: Die Migrantigen Regie: Arman T. Riahi Preis der Jugendjury: Die Reste meines Lebens Regie: Jens Wischnewski Preis für den gesellschaftlich relevanten Film: Club Europa Regie: Franziska M. Hoenisch Preis der Ökumenischen Jury: Vanatoare Regie: Alexandra Balteanu Bester Kurzfilm: Die Überstellung Regie: Michael Grudsky Publikumspreis Kurzfilm: Cigarbox Blues Regie: Christopher Kaufmann Preis für den Besten Mittellangen Film: Wald der Echos Regie: Maria Luz Olivares Capelle Publikumspreis Mittellanger Film: La femme et le TGV Regie: Timo von Gunten Dokumentarfilmpreis: Ohne diese Welt Regie: Nora Fingscheidt Beste Filmmusik Dokumentarfilm: Zaunkönig - Tagebuch einer Freundschaft Regie: Ivo Zen Musik: Trixa Arnold, Ilja Komarov
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