02.01.2013
Im Jenseits ist noch ein Zimmer frei

Zimmer 205
- Traust du dich rein?


Zimmer 205 - Traust du dich rein? Jennifer Ulrich; Fotografin: Katharina Simmet "Traust du dich rein?" fragt der Untertitel von Rainer Matsutanis "Zimmer 205". Offen zugegeben traue ich mich nicht. Nicht mehr. Wer sich einmal in die Neuverfilmung des dänischen Horrorfilms "Kollegiet" wagte, erkennt den Untertitel als böses Omen und verneint wohlbedacht die herausfordernde Titelfrage. Alle, die weder auf ungute Vorzeichen, noch ausdrückliche Warnungen etwas geben, erwartet ein ähnlicher Uni-Alptraum wie Katrin (Jennifer Ulrich). Die 19-Jährige zieht aus dem Reihenhaus ihres besorgten Vaters (Hans-Uwe Bauer) ins Studentenheim und ihr zugeteilt wird...? Tatsächlich "Zimmer 205"! Dessen letzte Bewohnerin Annika (Julia Dietze) verschwand ein Jahr zuvor spurlos aus dem Zimmer, in dem sie weiter präsent ist – und nicht nur für Katrin eine mörderische Gefahr.

Als erste erleben das Katrins neue Nachbarn in dem schäbigen Plattenbau. "Studentenwohnheim" steht davor auf einem Schild, ohne das Erstsemester den tristen Betonklotz vermutlich für eine Ruine aus DDR-Zeiten halten würden. In einer Fachprüfung gäbe es für diese Antwort sogar Punkte, denn Zimmer 205 liegt in einer ehemaligen SED-Parteischule. Aufgeräumt wurde dort vor der Schließung scheinbar nicht, so dass Produzent Boris Schönfelder beschloss, den Ostalgie-Overkill zu nutzen und mit einer Sperrmüllgarnitur Pressspan und Buntplastik aus Kader-Quartieren moderne Studentenbuden zu machen. Eine Wand, aus der schwarzer Schlamm quillt, ist erst richtig fies, wenn billige Raufasertapete darauf klebt. Im Wiederverwerten von Produkten, deren Qualität von vornherein zweifelhaft war, hat Schönfelder Übung: So fand er die Inspiration für sein jüngstes Filmprojekt in den Kinocharts der Nachbarländer: "Da wundert man sich manchmal, was da alles fantastisch läuft." Besonders angesichts des Kassenerfolgs des 2007 angelaufenen Uni-Horrors "Kollegiet".

Zimmer 205 - Traust du dich rein? André Hennicke; Fotografin: Anke Neugebauer "Man findet immer kleine Schätze, wenn man genauer hinguckt", erklärt Schönfelder. Er hat genau hingesehen, gnadenlos genau, verrät das Presseheft: "Zunächst galt es, das dänische Original auf den Prüfstand zu stellen und darauf abzuklopfen, was wirklich funktionierte." Versteht man unter funktionieren, dass Horrorunterhaltung ihren Zweck erfüllt und der Plot leidlich Sinn ergibt, dann funktionierte die simple Originalgeschichte um eine misshandelte Studentin, die sich an ihren Peinigern aus dem Jenseits rächt. Anders Eckhard Vollmers Drehbuchfassung. Darin ist Annika eine "gemeine Hexe", die einen brutalen Übergriff ihrer Mitstudenten Chris (Daniel Roesner), Dirk (Tino Mewes) und Niko (Florian Jahr) nur vortäuscht. Mit den Erpressungsgeldern ihrer Opfer zahlt sie...? Zimmer 205. Annikas dort entstandenes Videotagebuch landet bei Katrin via StudiVZ. Öffentliche Netzwerke sind der Horror. Gruseliger als eine Killer-Kommilitonin mit roter Kapuzenjacke aus "Wenn die Gondeln Trauer tragen" und Wasserleichen-Gesicht aus "The Ring" ist es, dutzendmal die gleiche Spammail zu kriegen: "Annika möchte dich als Freundin hinzufügen."

Zimmer 205 - Traust du dich rein? Jennifer Ulrich (Mitte); Fotografin: Anke Neugebauer Anzunehmen Katrin würde die Anfrage eingedenk der Feindseligkeit ihrer Heimbewohnerinnen Carmen (Inez Björg David) und Sanne (Marleen Lohe) und kursierender Geisterstorys ignorieren, überschätzt die Hauptfigur. Katrins nervtötende Irrationalität erzeugt beim Publikum etwa so viel Furcht wie ein Aufenthalt im Heim-Waschkeller bei Chris: "Sehr witzig Leute. Ich hab ‘ne Riesenangst." Ob er deswegen beim Sex mit Katrin – erste Nacht, erste eigene Bude, erstbester Typ – nackt davonrennt und ruft: "Ich hol Carmen!"...? Die Hoffnung, aus dem Remake eines dänischen Horrorfilms werde jetzt das eines schwedischen Sexfilms, bleibt unerfüllt. Das Gute bei einem Remake sei, äußert Schönfelder, man könne das Original tausend Mal anschauen und genau diskutieren, wie man es besser machen könnte. Gebracht hat die fleißige Gruppenarbeit nicht einmal einen einheitlichen Titel: "Zimmer der Angst" besagt der Vorspann des Kinowerks, in das sich die Macher aus Angst vor dem eigens fabrizierten Stumpfsinn wohl selbst nicht trauten.  

Lida Bach / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Neue Schönhauser Filmproduktion / NFP und siehe jedes einzelne Foto

 
Filmdaten 
 
Zimmer 205 - Traust du dich rein?  
 
Deutschland 2012
Regie: Rainer Matsutani;
Darsteller: Jennifer Ulrich (Katrin Nadolny), André Hennicke (Kommissar Urban), Inez Björg David (Carmen), Tino Mewes (Dirk), Hans-Uwe Bauer (Katrins Vater), Florian Jahr (Niko), Julia Dietze (Annika), Daniel Roesner (Christian), Marleen Lohse (Sanne), Dennis Gansel (Psychiater), Juliane Gregori (Assistentin von Urban), Gitta Schweighöfer (Frau Ruschkowski), Uwe Rohde (Hausmeister), Tristan Göbel u.a.;
Drehbuch: Eckhard Vollmar; Produzent: Boris Schönfelder; Kamera: Jan Fehse; Musik: Wolfram de Marco; Schnitt: Marco Pav D'Auria;

Länge: 103,24 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih der NFP marketing & distribution GmbH; deutscher Kinostart: 4. April 2013



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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