27.04.2020

Auf der Flucht?

Transit (2018)

"Transit" ist Christian Petzolds bisher schwächster Film. Der Autorenfilmer, der geniale Filme wie "Jerichow" und "Yella" drehte, kann mit Anna Seghers' gleichnamiger Vorlage (1944) nicht viel anfangen. Dass Petzold die Handlung aus dem Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart verlegt, ist keine gute Idee, da er nicht auf die laut Film in Deutschland nun herrschende Diktatur eingeht, die Frankreich besetzt. So kann man auch nur ahnen, wovor Georg (Franz Rogowski) flüchtet, von Paris in die noch unbesetzte Hafenstadt Marseille entkommt, damit der Verhaftung entgeht. Von Marseille könnte ihn ein Schiff ins sichere Mexiko bringen. Er trifft andere Flüchtige, die auch auf ihr Fortkommen warten. Nur: Sind sie auf der Flucht? Gehetzt wirkt keiner der Protagonisten. Schlimmer: Die Handlung kommt nicht vom Fleck wie die möglichen Exilanten, langweilt. Petzold wählt eine trockene Erzählweise, die bei einer Liebesgeschichte schwülstig wird.

Diese Liebesgeschichte handelt von Georg und Marie (Paula Beer). In Marseille begegnen sie sich mehrfach, sie sieht ihn zunächst zweimal von hinten, berührt ihn und muss jeweils enttäuscht feststellen, dass er nicht der ist, für den sie ihn hält. Er weiß auch noch nicht, wer sie ist: die Frau eines Mannes, von dem Georg weiß, dass er Selbstmord beging. In der Wohnung des Kindesarztes Richard (Godehard Giese) treffen Georg und Marie endgültig aufeinander. Er verschweigt ihr, was er weiß; er übernahm außerdem im mexikanischen und im US-Konsulat die Identität des Toten. Ein Teil des Filmendes sei hier verraten: Er wähnt sie auf einem Schiff nach Mexiko via den USA (daher: "Transit"), sieht aber eine ihn böse anblickende Marie wieder, hofft danach, ihr erneut zu begegnen. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Kommt sie zurück? Er dreht sich um, lächelt. Cut – Abspann.

Kann ja auch nicht lange halten, die Beziehung. Petzold stellt Marie als Mehr-oder-noch-mehr-Nymphomanin dar. Der tote Schriftsteller – Richard – Georg, alle sind sie sofort Bettgefährten der jungen Frau. Warum? Nähe aus Verzweiflung? Wird nicht ausgearbeitet. In diesem Geflecht der Leidenschaften verheddert sich Regisseur Petzold, anstatt auf die allgemeine Verzweiflung von Flüchtlingen einzugehen. Ein aktuelles Thema, eine vertane Chance. Weitere vertane Chance: Die neue Terror-Regierung in Deutschland interessiert Petzold nicht. Vor diesem Film brauchen sich rechtspopulistische Parteien nicht zu fürchten.  

Michael Dlugosch / Wertung: * (1 von 5)



Filmdaten

Transit (2018)


Deutschland/Frankreich 2018
Regie: Christian Petzold;
Darsteller: Franz Rogowski (Georg), Paula Beer (Marie), Godehard Giese (Richard), Lilien Batman (Driss), Maryam Zaree (Melissa), Barbara Auer (Frau mit Hunden), Matthias Brandt (Barmann/Erzähler), Sebastian Hülk (Paul), Emilie de Preissac (Wirtin in Pariser Hotel), Antoine Oppenheim (Binnet), Louison Tresallet (Jean Binnet), Justus von Dohnányi (Dirigent), Alex Brendemühl (mexikanischer Konsul), Trystan Pütter (US-Konsul), Ronald Kukulies (Heinz) u.a.;
Drehbuch: Christian Petzold nach dem gleichnamigen Roman (1944) von Anna Seghers; Produzenten: Antonin Dedet, Florian Koerner von Gustorf; Kamera: Hans Fromm; Musik: Stefan Will; Schnitt: Bettina Böhler;

Länge: 101,29 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 5. April 2018

Ein Film im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) 2018



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