27.05.2009
Wiederauferstehung in der Wirtschaftskrise

Jerichow


Jerichow: Benno Fürmann, Nina Hoss - Copyright des Bildes: Piffl Medien, Hans Fromm Frei nach James M. Cains 1934 geschriebenem Krimi "Wenn der Postmann zweimal klingelt" trifft in "Jerichow" ein hoch verschuldeter Mann einen reichen Mann und missbraucht dessen Vertrauen, denn er und die Frau des reichen Mannes verlieben sich ineinander. Aber: "Man kann sich nicht lieben, wenn man kein Geld hat", stellt die Frau fest. Durch einen Mord könnte der Reichtum auf die Frau übergehen…
Regisseur Christian Petzold demonstriert ein weiteres Mal seine herausragende Stellung in der deutschen Filmbranche. Er reduziert Handlung und Dialoge auf das Nötigste und sorgt so für eine klaustrophobisch einengende Atmosphäre.

Jerichow: Benno Fürmann, Nina Hoss, Hilmi Sözer - Copyright des Bildes: Piffl Medien, Christian SchulzJerichow gibt es als Ort in Ostdeutschland wirklich, und zwar westlich von Berlin in Sachsen-Anhalt, zwischen Stendal und Genthin gelegen. Das Jerichow bei Christian Petzold könnte sich überall im ostdeutschen Raum befinden, man soll es sich nahe der Ostsee vorstellen, die im Film mehrfach zu sehen ist - und sich dabei an den Ruf jener Umgebung erinnern: eine Landschaft, die im Aussterben begriffen ist. Junge Menschen kehren der Gegend den Rücken, so wie es die junge Frau namens "Yella" in Petzolds letztem, gleichnamigem Film nach Westdeutschland, nach Hannover zieht. Zurück bleibt im Osten Armut, ein Gebiet ohne viele Menschen, an allem mangelt es. Menschenmengen wird man daher in Christian Petzolds in Ostdeutschland spielenden Filmen nicht zu sehen bekommen, dafür immer wieder Fahrten durch die menschenleere Weite. In "Yella" gab es derartige Geschäftsreisen im Auto, in "Jerichow" ist Ali (Hilmi Sözer) ebenso ständig dienstlich im Auto unterwegs zu seinen Kunden. Er, türkischstämmiger Deutscher, hat es als Imbissbuden-Zulieferer trotz allem zu einigem Wohlstand gebracht. Er ist verheiratet mit Laura (Nina Hoss, die immer wieder von Petzold für Rollen besetzt wird; so spielte sie in "Yella" die Titelfigur). Die Ehe von Laura und Ali ist nicht glücklich. Der Zuschauer wird im Verlauf des Films erfahren, dass er sie schlägt und zum Sex zwingt, sie aber aus finanziellen Gründen an ihn gekettet ist. Thomas (Benno Fürmann, von Petzold auch gerne häufig in Filmen eingesetzt) bricht in die trügerische Idylle des Paares ein. Nahezu ohne sein Zutun. Der unehrenhaft aus der Bundeswehr Entlassene ist nur zufällig in der Nähe, als Ali einen Unfall baut und fortan einen Fahrer braucht. Thomas übernimmt den Job, denn wie Laura hat er Geldnöte, und wie Laura lässt er sich auf eine Abhängigkeit von Ali ein. Thomas und die ihm gegenüber zunächst abweisende Laura kommen sich näher, als Ali eines Tages betrunken und in Feierlaune sie zum gemeinsamen Tanz nötigt. Finanzielle Sicherheit, aber Schläge - oder Liebe, diese Frage stellt sich bald für Laura. Die sich Liebenden können beides haben, stellen sie fest, aber dafür müssen sie einen Mord begehen.

Jerichow: Hilmi Sözer - Copyright des Bildes: Piffl Medien, Hans FrommIm Alten Testament ist Jericho die Stadt, deren Schutzmauern durch den Klang von Trompeten zum Einsturz gebracht werden. Welche Mauern fallen in "Jerichow"? Für Christian Petzold spielt der Filmtitel "auch auf die Rose von Jericho an, die im Christentum für die Wiederauferstehung steht. Darum geht es in meinem Film: um einen Mann - Thomas -, der eigentlich tot ist und nun sein Leben noch einmal leben kann." Wiederauferstehung in der Wirtschaftskrise, ihr zum Trotz - es gilt für Thomas wie für Laura, selbst wenn die Dreiecksbeziehung beider mit Ali, der Thomas wie Laura vertraut, auf eine Tragödie hinausläuft.

Diese Geschichte um das Verhältnis dreier Menschen zueinander verbunden mit einem Mordkomplott könnte in ihrer Erzählweise scheitern. Es geschieht das Gegenteil, dank Christian Petzolds intelligenter Regie wartet der Zuschauer gebannt die Entwicklung der Ereignisse ab. Zusammen mit seinem Kameramann Hans Fromm erschafft Petzold intensive Bilder, durch die die Gefühle der Protagonisten besser vermittelt werden als durch Dialoge, die im Film auf ein Quantum reduziert sind. Christian Petzold hat eine subtile Einfachheit in den deutschen Film eingebracht. Dies ist sein persönlicher Stil, und nur wenige zeitgenössische Regisseure weltweit können mit der Reduktion von Handlung, Dialogen und Bildsprache so virtuos umgehen wie er.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * * (5 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Piffl Medien

 
Filmdaten 
 
Jerichow   
 
Deutschland 2008
Regie und Drehbuch: Christian Petzold;
Darsteller: Benno Fürmann (Thomas), Nina Hoss (Laura), Hilmi Sözer (Ali), André M. Hennicke (Leon), Claudia Geisler, Marie Gruber, Knut Berger u.a.; Produktion: Florian Koerner von Gustorf, Jochen Kölsch, Bettina Reitz, Andreas Schreitmüller, Michael Weber; Kamera: Hans Fromm; Musik: Stefan Will; Länge: 92 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 8. Januar 2009; ein Film im Verleih von Piffl Medien



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<08.01.2009>


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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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