31.08.2019

Fluchthilfe zwischen Waghalsigkeit und Todesmut


The Red Sea Diving Resort


Reale Geschichten können manchmal nicht erzählt werden, weil sie unglaubwürdig klingen. Beruhte die Geschichte hinter diesem Film nicht auf Tatsachen, wäre sie ebenso wenig glaubhaft. Aber genau deswegen ist der Streifen wertvoll – weil er den real existierenden Beweis erbringt, dass es eine tiefe Menschlichkeit gibt, selbst im Angesicht größter Gefahr und Verrohung durch Krieg. Insofern verkörpert Hauptdarsteller Chris Evans hier auch einen Helden, ähnlich wie in seiner Rolle des "Captain America", die ihn berühmt machte. Er spielt den Mossad-Agenten Ari Levinson, der seine junge Familie, seine Existenz, sein nacktes Leben wiederholt aufs Spiel setzt, um anderen Menschen in einem entfernten Land zu helfen. Um jüdischen Flüchtlingen aus dem äthiopischen Bürgerkrieg die Flucht nach Israel zu ermöglichen. Die Frage nach der inneren Motivation dieses radikalen Fluchthelfers ist es, sein unglaublicher Mut, sich mitten ins Kriegsgewühl zu stürzen, wiederholt dem Tod zu trotzen, seine Bereitschaft, sich aufzuopfern, um anderen zu helfen, die diesen Film sehenswert machen. Hilfreich war es, dieses Porträt mit spannungsgeladenen Szenen zu unterstreichen.

Mitte der Achtziger Jahre, während eines bestialischen Bürgerkriegs, wo korrupte Willkür und menschliche Verrohung herrschen, sind Israeli Ari Levinson und seine Freunde in Äthiopien als Fluchthelfer unterwegs. Immer wieder geht Ari – gegen den Willen seiner kleinen Tochter und seiner Frau – nach Afrika, bis er, um die Fluchthilfe zu systematisieren, einen waghalsigen Plan entwirft. Er mietet mithilfe des Mossad ein verlassenes Hotel in Somalia am Roten Meer, wo die äthiopischen Flüchtlinge über Wasser nach Israel gebracht werden können. Die als Tarnung gedruckten Broschüren ziehen aber tatsächlich Touristen an – deutsche Touristen hauptsächlich – die sich dann ihrerseits aber auch als gute Tarnung zum Schutz der geheimen Fluchtoperation im Hintergrund erweisen. Die historisch reale "Operation Moses", die als Hintergrund des Films dient, verhalf rund 8000 äthiopischen Juden die Flucht nach Israel.

Das sonnendurchflutete Hotel, zwar abgehalftert und herabgekommen, die sonnengebräunten sportlichen jungen Körper stehen im – filmisch gelungenen – Widerspruch zum menschlichen Elend im Hintergrund, das allerdings nur punktuell angedeutet wird. Der Film fokussiert eher auf die waghalsigen Fluchthelfer, deren Erscheinung, deren Haltung, die zwischen jugendlichem Leichtsinn und tiefmenschlicher Aufopferungsbereitschaft schwankt. Dabei bleibt der Film zu sehr an der Oberfläche – er hätte die individuelle Motivation des Rettungstrupps vertiefen können, die persönlichen Geschichten dahinter. So bleibt der Film eher ein Spionagethriller mit leichten 007-Allüren, der nur dank der nuancierten Darstellung der Schauspieler – u.a. auch durch Kurzauftritte von Ben Kingsley und Greg Kinnear – eine Tiefe suggeriert.

Produzent Netflix gelingt es zunehmend – hier in Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten "Homeland"-Regisseur Gideon Raff – eine solide Konkurrenz zu Hollywood aufzubauen. Inzwischen namhafte und erfolgreiche Serien wie "House of Cards", "Alias Grace", "Ozark" oder Filme wie "Mudbound", "Bird Box", "Der weite Weg der Hoffnung", um nur einige Titel aus einer langen Liste zu zitieren, verhelfen der Marke "Netflix", sich seriös zu etablieren.  

Hilde Ottschofski / Wertung: * * * * (4 von 5)



Filmdaten

The Red Sea Diving Resort
(Operation Brothers)

USA/Kanada 2019
Regie & Drehbuch: Gideon Raff;
Darsteller: Chris Evans (Ari Levinson), Alessandro Nivola (Sammy Navon), Ben Kingsley (Ethan Levin), Greg Kinnear (Walton Bowen), Haley Bennett (Rachel Reiter), Mark Ivanir (Mossad-Chef Barack Isaacs), Michiel Huisman (Jacob 'Jake' Wolf), Alex Hassell (Max Rose), Thabo Bopape (Colonel Madibbo), Stephen Mofokeng (Abu Hamid), Chris Chalk (Colonel Abdel Ahmed), Michael Kenneth Williams (Kabede Bimro), Shelaine Bennett (Leah Frost), Robbie Leacock (Arnold Woods) u.a.;
Produzenten: Aaron L. Gilbert, Alexandra Milchan, Gideon Raff; Kamera: Roberto Schaefer; Musik: Mychael Danna; Schnitt: Tim Squyres;

Länge: 129 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; deutscher Kinostart: keiner, Netflix-Start am 31. Juli 2019



Artikel empfehlen bei:  Mr. Wong Delicious Facebook  Webnews Linkarena  Hilfe

© filmrezension.de

home
  |  regisseure/schauspieler   |  e-mail
 über uns  |  impressum  


 
Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

Drucken

Artikel empfehlen
Mr. Wong Delicious Facebook Webnews Linkarena 
Hilfe