01.12.2017
Die Unschuldigen und die mit den schmutzigen Händen

Suburbicon


Suburbicon: Julianne Moore, Matt Damon Zahnpastalächeln. Schöne Häuser in ruhiger Lage. Die ersten Minuten des Films "Suburbicon" zeigen eine Fernsehreklame für das Stadtrandörtchen desselben Namens. Die Atmosphäre in ihm ist klinisch rein, so rein, dass der Zuschauer ahnt: Die Sünde kann nicht weit weg sein. Die Sündhaftigkeit seiner Bewohner schlägt gleich doppelt zu. Während ein Mob eine schwarze Familie vertreiben will, ist eine weiße Familie nebenan mit sich selbst beschäftigt und der Vertuschung eines Mordes.
Ethan und Joel Coen schrieben das Drehbuch mit George Clooney und Grant Heslov. Clooney führte Regie, aber es ist in erster Linie ein Coen-Brüder-Film. Die beiden entnahmen ihrem Meisterwerk "Fargo" Grundzüge, doch ist es keine Reminiszenz, sondern ein Kopieren dessen, was mal auf der Leinwand funktioniert hat. Im seicht inszenierten Film "Suburbicon" funktioniert es nicht. Trotz aller guten Absichten.

In "Fargo" (1996) engagierte ein Mann zwei Gauner, seine Frau zu entführen. Bis diese am Ende genauso tot wie einer der Ganoven war und der andere wie der Auftraggeber im Knast. Es ging von vorne bis hinten alles schief. Wer "Fargo" nicht kennt, kann eventuell "Suburbicon" etwas abgewinnen. Aber auch nur dann, und es ist nicht gewährleistet – denn Clooneys Regiestil schläfert ein. Allemal wäre besser gewesen, die Coen-Brüder hätten selbst Regie geführt. So bedächtig, wie Clooney inszenierte, so lustlos schien er gewesen zu sein, so desinteressiert am Stoff. Dabei hat Clooney schon meisterlich Filme gedreht, wie "Good Night, and Good Luck" oder "The Ides of March – Tage des Verrats".

Suburbicon: Nicky (Noah Jupe) wird bedroht Die Grundelemente des Films sind richtig und stimmig: Rassenhass wird thematisiert und eine formal interessante Kriminalgeschichte geliefert, die Coen-typisch zum Thriller mutiert. Es sind die 1950er-Jahre. Schwarze haben noch nichts zwischen Weißen zu suchen. Dennoch wagt sich eine afroamerikanische Familie in den Ort Suburbicon, der sonst nur von Weißen bewohnt wird. Direkte Nachbarn sind die Lodges. Sie werden im Mob nicht mitmachen beim Versuch, die Schwarzen loszuwerden. Dazu werden sie nicht die Zeit und Kraft haben. Die farbige Familie und ein Junge, der Sohn der Lodges, sind die einzigen Unschuldigen im Film. Der Rest, die weißen Erwachsenen, hat trotz aller klinischen Reinheit des Ortes schmutzige Hände. Man sieht es bei den Lodges erst beim näheren Hinsehen.

Die Filmfigur, mit der der Zuschauer mitfiebert, wenn von Mitfiebern überhaupt die Rede sein kann, ist der kleine Nicky Lodge (Noah Jupe). Er lebt mit Vater Gardner (Matt Damon), dessen Frau Rose (Julianne Moore) und ihrer Schwester Margaret (gleichfalls Julianne Moore) in Suburbicon. Eines Nachts sind zwei Halunken im Hause Lodge. Ihr Erscheinen wird die gehbehinderte Rose das Leben kosten. Bald merkt Nicky: An der Geschichte des Überfalls mit Todesfolge kann etwas nicht stimmen, die unerwünschten "Gäste" waren nicht so unerwünscht, sie waren engagiert. Wegen einer Lebensversicherung. Der ursprüngliche Krimi wird blutig, es wird mehrfach brutal gestorben, und Nicky gerät gleich von mehreren Seiten her in Lebensgefahr, auch von einer Seite, von der man es nicht erwarten sollte.

Suburbicon: Der Mob will die schwarze Familie aus dem Ort vertreiben Der Film spielt um 1950, aber die Gegenwart der Trump-Ära wird angesprochen in deren neu aufloderndem Rassismus. Gut, dass Clooney und die anderen Drehbuchautoren darauf hinweisen. Zeigen, wer schuldig und wer unschuldig ist. So weit, so gut. Nur interessiert sich Clooney für die schwarze Familie im Film nicht, nur plakativ wird auf den Rassenhass hingewiesen, denn man lernt die Familie nicht kennen, den Vater sieht man nur einmal in Großaufnahme, die Frau nur wenige Male beim Aufhängen der Wäsche. Wenn sich Clooney wenigstens für den Krimi interessierte. Dies ist aber auch nicht der Fall: Ihn interessierte stattdessen Entschleunigung im Film. Die valiumgeschwängerte Langsamkeit passt allerdings nicht zu der Handlung, die nach Tempo regelrecht schreit.  

Michael Dlugosch / Wertung: * (1 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Concorde Filmverleih GmbH / Hilary Bronwyn Gayle

 
Filmdaten 
 
Suburbicon (Suburbicon) 
 
GB/USA 2017
Regie: George Clooney;
Darsteller: Matt Damon (Gardner Lodge), Julianne Moore (Rose Lodge / Tante Margaret), Noah Jupe (Nicky Lodge), Glenn Fleshler (Ira), Alex Hassell (Louis), Gary Basaraba (Onkel Mitch), Oscar Isaac (Bud Cooper), Jack Conley (Hightower), Karimah Westbrook (Mrs. Meyers), Tony Espinosa (Andy), Leith Brooke (Mr. Meyers) u.a.;
Drehbuch: George Clooney, Ethan und Joel Coen, Grant Heslov; Produzenten: George Clooney, Grant Heslov, Teddy Schwarzman; Kamera: Robert Elswit; Musik: Alexandre Desplat; Schnitt: Stephen Mirrione;

Länge: 105,32 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih der Concorde Filmverleih GmbH; deutscher Kinostart: 9. November 2017



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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