25.10.2000
Pat Garrett jagt Billy The Kid Gewalt. Zweifellos sind es die Gewaltszenen, die bei Filmen von Sam Peckinpah in Erinnerung bleiben. Doch der hervorragende amerikanische Regisseur hinterläßt mit seinem Werk mehr als nur ästhetisch gefilmte Blutbäder. 1973, im Entstehungsjahr von Peckinpahs Spätwestern "Pat Garrett & Billy The Kid", hatte sich Peckinpah schon mit einigen Filmen einen Namen gemacht. Zu den bekanntesten und berüchtigtsten gehören "The Wild Bunch" ("The Wild Bunch - Sie kannten kein Gesetz", 1969), "Straw Dogs" ("Wer Gewalt sät", 1971) und "The Getaway" ("Getaway", 1972). Allerdings steht Peckinpah mit seiner expliziten Gewaltdarstellung nicht allein da und hat es auch nicht erfunden. Stilistisch kommt er Arthur Penn nah, der 1967 in "Bonnie und Clyde" seine beiden Helden buchstäblich zerschießen ließ. Stanley Kubrick tat 1970/71 mit "Uhrwerk Orange" sein übriges. Das Drehbuch von Rudolph Wurlitzer beruht auf einer wahren Begebenheit, die sich schon vor den ersten Film-Adaptionen zu einem Mythos verselbständigt hatte. Billy The Kid (Kris Kristofferson), auch als William Bonney bekannt, wurde schon jung zum Mörder und Revolverhelden. 1881 wird sein ehemaliger Freund und Kumpan Pat Garrett (James Coburn) zum Sheriff ernannt und wird auf Billy angesetzt. Trotz Pats Warnung verläßt Billy nicht das Land und läßt sich nach längerer Odyssee von ihm erschießen. Doch auch Pat Garrett stirbt keines natürlichen Todes und wird 1908 von seinen eigenen Auftraggebern erschossen. Der deutsche Titel "Pat Garrett jagt Billy The Kid" paßt und paßt auch wiederum nicht. Während der englische Originaltitel die Titelhelden gleichwertig auf eine Stufe stellt, hebt der deutsche die Aktivität von Pat Garrett hervor. Doch in dem Film geht es um die Beziehung zwischen den beiden Figuren: die anfängliche Freundschaft, die später tödliche Feindschaft. Gezeigt werden die Wege und Beweggründe der beiden, bis sie am Ende ein letztes Mal zusammentreffen. Dabei wird der Zuschauer mehr auf die Seite von Outlaw Billy gelenkt. Es gibt eine Reihe wiederkehrender Themen und Motive in Peckinpahs Filmen, und hier führt er einiges weiter, mit dem er schon in "The Wild Bunch" begonnen hat. Auch in "The Wild Bunch" gibt es "Jäger" und "Gejagte", und auch da wird das Gesetz in Frage gestellt. Genaugenommen herrscht in Peckinpahs Filmen ein Zustand von Gesetzlosigkeit. Brutalität und Zerstörung sind allgegenwärtig. Willkürlich werden Menschen umgebracht, gequält und erniedrigt. Nichts und niemand ist davon ausgenommen: Kinder, Frauen, Tiere - und die besten Freunde. Es gibt keine Gnade. "The law is a funny thing", sagt Billy, und in "The Wild Bunch" stellt jemand dem Gesetzeshüter die Frage: "Was ist das für ein Gefühl? Wenn man bezahlt wird dafür, daß man im Namen und unter Schutz des Gesetzes Morde begeht? Wie fühlt sich das an, wenn man so verdammt gerecht ist?" Das Gesetz ist relativ. Und Menschen sind käuflich. Pat Garrett kann Billy genau sagen, warum sie ab jetzt nicht mehr Freunde sein können, denn er hat beschlossen "reich, alt und grau" zu sterben. "It's a way of staying alive. No matter what side you're on, you're always right." - "That´s a fine ambition, Pat" antwortet Billy etwas lakonisch. Wie es scheint, akzeptiert er die Entscheidung seines Freundes sogar, auch wenn er sich entscheidet, da nicht mitzumachen. Ist es wichtig, auf welcher Seite man ist? Auch in "The Wild Bunch" werden die Seiten problemlos gewechselt. Pat Garrett ist anzumerken, daß er sich in der neuen Rolle gefällt, er genießt seine Macht und daß er sich mit dem Geld so viele Prostituierte kaufen kann, wie er möchte.
Hinter der vordergründig recht einfachen Geschichte über zwei ehemalige Outlaws verbergen sich also zwei unterschiedliche Lebensentwürfe. Billy möchte weiterhin frei und unabhängig bleiben und so weiterleben wie er es immer getan hat, auch wenn sich "die Zeiten geändert haben", wie Pat zu ihm sagt. Es drängt sich der Verdacht auf, daß Pat Garrett und seine Auftraggeber stellvertretend für "das Establishment" stehen - ein Begriff, der nachhaltig in den späten 60ern geprägt wurde.
Bob Dylans Bedeutung für den Film sei hervorgehoben. Er wurde zuerst nur als Komponist für den Soundtrack engagiert, doch dann wurde schnell klar, daß auf beiden Seiten Interesse an weiterer Zusammenarbeit bestand. Der Regisseur, der kurioserweise vorher noch nichts von Dylan gehört hatte, zeigte sich begeistert. Und auch Dylans Schauspieler- und Musikerkollege Kris Kristofferson mußte zugeben, daß Dylan einfach eine natürliche Leinwandpräsenz besaß, selbst ohne etwas zu tun oder zu sagen. Eine besonders große Sprechrolle war der Part des Alias auch eben nicht. Doch spielt Alias als Anhänger von Billy eine nicht unwichtige Rolle in der Geschichte. Er fungiert im gewissen Sinne als Verbindung zwischen Pat und Billy. An einer Stelle des Films wird Alias von Pat gebeten, eine Nachricht an Billy zu überbringen.
Jessica Ridders /
Wertung: * * * * (4 von 5)
Filmdaten Pat Garrett jagt Billy The Kid (Pat Garrett and Billy The Kid) USA 1973 Regie: Sam Peckinpah; Drehbuch: Rudolph Wurlitzer; Kamera: John Coquillon; Schnitt: Roger Spottiswoode, Garth Craven, Robert L. Wolfe, Richard Halsey, David Berlatsky, Tony De Zarraga; Musik: Bob Dylan; Darsteller: James Coburn (Pat Garrett), Kris Kristofferson (William H. "Billy the Kid" Booney), Jason Robards (Lew Wallace), Katy Jurado (Mrs. Baker), Slim Pickens (Sheriff Colin Baker), Jack Elam (Alamosa Bill/Kermit), Harry Dean Stanton (Luke), Bob Dylan (Alias), Elisha Cook Jr., Bruce Dern u.a. Länge: 106 Minuten (rekonstruiert: 117 Minuten); FSK: ab 16 Jahren.
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