03.10.2015

Mistress America


Noah Baumbachs Dialoge klingen, als wolle er unbedingt zitiert werden, mindestens so sehr wie die Möchtegern-Schriftsteller seiner Story. Da ist es wohl ganz im Sinne des Regisseurs, dass man den Plot mit einem abgewandelten Zitat der Titelfigur Brooke (Greta Gerwig) beschreibt: Man hasst die Figuren, aber man ist verliebt in den Charme, den die die Schauspieler versprühen.

Mistress America Hass-Liebe ist die definierende Gemeinsamkeit der Protagonisten, dicht gefolgt von Ko-Abhängigkeit und Eifersucht. Letzte grassiert auf jeder Ebene: emotional, sozial, materiell, intellektuell. Am neidischsten von allen scheint Baumbach selbst, nämlich darauf, dass er nicht der neue Held der neurotischen Komödie ist. In ihren schlechtesten Momenten wirkt seine Komödie wie eine ungeschickte Nachahmung von Woody Allens New-York-Filmen. In seinen besten Momenten wirkt der Plot wie eine unnötige Fortsetzung von Baumbachs vorletztem Werk "Frances Ha". Dort war die wunderbare Greta Gerwig sowohl Co-Autorin als auch Hauptdarstellerin. Fast die gleiche Rolle vor und hinter der Kamera spielt sie nun in "Mistress America". Genau wie Frances Ha ist die gleichermaßen exzentrische und egozentrische Brooke eine chaotische Kreative. Die 30-Jährige hat einen Berg verschiedener Projekte, alle vielversprechend, aber keines wirklich zukunftsfähig. Genauso zum Scheitern verdammt wie ihre Vorhaben ist Brooke selber, vermittelt dem Zuschauer der pädagogische Off-Kommentar ihrer Fast-Stiefschwester Tracy (Lola Kirke). Die Tochter der Zukünftigen von Brookes Vater ist 18, neu auf dem College und neu in New York. Als aspirierende Jungautorin steht Tracy am Anfang des Weges zur Selbsterfüllung.

Mistress America: Filmplakat An diesem Punkt im Leben wäre auch Brooke noch einmal gerne. Aus Sicht der von Selbstzweifel geplagten Studentin Tracy, die Baumbach in den spießigsten aller braunen Strickpullis steckt, liefert wiederum die neue große Schwester die ideale Vorlage für die Hauptfigur ihrer ersten schriftstellerischen Gehversuche. Letzte tragen den gleichen Titel wie der Film. So richtig in Schwung kommt Tracy mit dem Schreiben ihrer Kurzgeschichte namens "Mistress America", als Brookes Traum vom eigenen Restaurant zu platzen droht, wenn nicht schleunigst ein Investor gefunden wird. Zum Sponsor prädestiniert wäre Brookes Ex-Studienkameradin Mamie Claire (Heather Lind). Mamie hat angeblich damals Brookes Ideen und supersexy Freund geklaut. Mit Tracy, deren College-Kumpel Tony (Matthew Shear) als Chauffeur und Tonys klammernder Freundin Nicolette (Jasmine Cephas-Jones) im Schlepptau fährt Brooke in die schicke Villa in Greenwich, die Mamie und ihr Geklauter-Ex-Freund-Gatte bewohnen. Hier wird die Großstadtkomödie zum nerdigen Kammerspiel, zu dem sich noch ein Nachbar (gespielt vom für den Soundtrack mitverantwortlichen Dean Wareham) und ein nicht abgeholtes Literatur-Club-Mitglied (Cindy Cheung) gesellen. So überfordert wie die Figuren mit ihren Einfällen steht auch die Handlung mit ihren da.

Schuld daran, dass die Sitcom trotz ihrer 85 Minuten Laufzeit bald ziemlich anstrengend wird, ist nicht zuletzt Baumbachs Herablassung gegenüber seinen unangepassten Charakteren. Sogar die Message scheint die gleiche wie in "Frances Ha", nämlich, dass die Konservativen gar keinen Grund hätten, die Indies zu beneiden. Denn die Individuellen sind vielleicht witzig und spontan, aber ständig am Rande der Existenznot und auch nicht wirklich glücklich. Ätsch. Diese verkappte Spießigkeit macht es schwer, die Story und ihre Protagonisten ins Herz zu schließen. Obwohl man das wirklich gerne würde.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

 
Filmdaten 
 
Mistress America (Mistress America) 
 
USA 2015
Regie: Noah Baumbach;
Darsteller: Greta Gerwig (Brooke), Lola Kirke (Tracy), Matthew Shear (Tony), Jasmine Cephas-Jones (Nicolette), Heather Lind (Mamie-Claire), Michael Chernus (Dylan), Cindy Cheung (Karen), Kathryn Erbe (Tracys Mutter), Dean Wareham (Harold), Mickey Sumner u.a.;
Drehbuch: Noah Baumbach, Greta Gerwig; Produzenten: Noah Baumbach, Scott Rudin, Lila Yacoub, Rodrigo Teixeira, Greta Gerwig; Kamera: Sam Levy; Musik: Britta Phillips, Dean Wareham; Schnitt: Jennifer Lame;

Länge: 84,52 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih der Twentieth Century Fox of Germany GmbH; deutscher Kinostart: 10. Dezember 2015



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Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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