29. Januar 2006
Elend der Ironie
Jarhead
-Willkommen im Dreck
Heute einen Kriegs- oder Antikriegsfilm zu drehen, scheint unmöglich
zu sein, zumindest wenn man Jarhead, dem neuesten Genrevertreter, folgen
will. Tatsächlich zeigt der lediglich, dass es den postmodernen
Kriegsfilm nicht geben kann, dafür einen immerhin amüsanten
Kommentar.
Sam Mendes verfilmt mit "Jarhead", seinem nach "American Beauty" (-->
Rezension)
und "Road to Perdition" (--> Information) dritten Kinofilm, die Autobiographie
des ehemaligen Marines Anthony Swofford (im Film: Jake Gyllenhaal).
Es
ist die klassische
Geschichte des (zu spät) selbst reflektierenden Naivlings in
Uniform.
Wie es Swofford in den Zweiten Golfkrieg von 1991 verschlägt, zeigt "Jarhead" in den handelsüblichen Szenen: Der vulgär-religiöse Drillsargeant ist hart, aber ungerecht, die Kameraden ein Verschnitt aus Landsknechten und an echten Waffen berauschten Teenies, die Zeit vor dem Kampf nervenaufreibend, das bisschen Krieg dann doch "das Grauen". Die einzige Neuerung und das eigentliche Thema des Films ist das Ausbleiben des direkten Krieges: Swofford kommt nicht ein einziges Mal zum Schuss. Die Überwindung des einfachen Kriegers hat Mendes vermutlich dazu bewogen, in "Jarhead" die größte bisher gesehene Wiederverwertung klassischer Kriegsfilme – allen voran Kubricks "Full Metal Jacket" und Coppolas "Apocalypse Now!" – zu betreiben. Kaum eine Einstellung, in der bekannte Szenen nicht zitiert und meist per Kommentar oder Soundtrack ironisch gebrochen würden. So gleicht Swoffords Drillsargeant bis auf die Hautfarbe dem Sadisten aus "Full Metal Jacket", brüllt seine Rekruten mit den gleichen Dialogzeilen nieder, dieweil im Soundtrack Bobby McFerrins "Don't Worry, Be Happy" dudelt. In einer anderen Szene fliegen Hubschrauber über die nächtliche Wüste und beschallen den unsichtbaren Feind mit "Break on through" von den Doors: Ein Marine beschwert sich, dass das Vietnam-Musik sei. Die Soldaten erleben eben keinen eigenen Krieg mehr, sondern ein Großevent, das sie mit der Filmsozialisation ihrer Jugend zu verbinden und zu verstehen versuchen. Mendes visualisiert diesen Wahrnehmungsmodus durch das inflationäre Zitat und übersieht dabei, dass die Erfahrung als Zitat nicht erst seit 1991 ein Signum des Krieges ist. Die eigene Erfahrung mit derjenigen der Vorväter und deren "großen" Kriegen zu vergleichen oder ihn zu einem allen Soldaten gemeinsamen Kriegserlebnis – "band of brothers" – zu stilisieren und sich hierzu an allen Arten der Überlieferung zu orientieren, gehörte wohl schon zum antiken Kriegserlebnis. Dass einer dabei die Defizienzerfahrung machen muss, nicht mehr up-to-date zu sein, von der Militärmaschinerie ausgeschieden zu werden, selbst dafür gibt es Präzedenzfälle. Man denke nur an den Niedergang des Rittertums. Es verwundert ohnehin, dass dieser Film vom versierten Theaterregisseur Sam Mendes stammt. Denn so stringent seine ersten beiden Kinofilme gewesen sind, so unfertig, allenfalls episodisch gerät "Jarhead". Das mag an der Überfrachtung des Films als Kriegssatire nebst Drill- und Posttraumaphase liegen. Oder einfach am bloßen Kommentar gewisser Szenen, der die große Erzählung des Unerzählbaren scheut. Damit ist "Jarhead" ein postmoderner Film par excellence: Witzig anzuschauen, aber vom Elend der Ironie, einem erklecklichen Mangel an Orginalität gekennzeichnet. .
Thomas Hajduk /
Wertung:
* * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: UIP Filmdaten Jarhead - Willkommen im Dreck Originaltitel: Jarhead (USA 2005) Regie: Sam Mendes; Darsteller: Jake Gyllenhaal (Anthony Swofford), Peter Sarsgaard (Allen Troy), Lucas Black (Chris Kruger), Chris Cooper (Lt. Col. Kazinski), Jamie Foxx (Staff Sgt. Sykes), Scott MacDonald (D.I. Fitch), Tyler Sedustine (Harris), Dennis Haysbert (Major Lincoln) u.a.; Drehbuch: William Broyles jr.; Produktion: Douglas Wick, Lucy Fisher; Ausführende Produktion: Sam Mercer, Bobby Cohen; Koproduktion: Pippa Harris; Kamera: Roger Deakins; Musik: Thomas Newman; Länge: 122 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von United International Pictures |
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