16.11.2011
Huhn mit Pflaumen
![]() In zahlreichen Rückblenden und Vorausschauen, ebenso in etlichen Nebenhandlungen und kleineren Nebenschauplätzen lässt Nasser sein bewegtes Leben noch einmal Revue passieren. Ein facetten- wie variantenreiches, im Wesentlichen unstetes Leben, das von einer in ihren Grundfesten unglücklichen Kindheit bis hin zu einer unmöglichen Liebe und einer schlussendlich zermürbenden Zweckehe reicht. Ein Lebensfresko, das die verschiedenen Zeitläufe beschreibt, wird mit viel Poesie entrollt. Wobei in diesem Fresko sämtliche Lebens- und Stimmungslagen anzitiert werden. Vorab ist zu sagen, dass der Film keineswegs eine bedrückende oder tiefenpsychologisch angelegte Nabelschau des viel zitierten leidenden Künstlers ist, der aus sich und seinem Weltschmerz bisweilen einen Mythos kreiert. Eher ist es ein durchaus abwechslungsreiches Changieren zwischen Tragik und Komik, und Momente der Traurigkeit werden von jenen der Heiterkeit oder des spontanen Witzes abgelöst.
Der Film ist ein Märchen par excellence, was schon durch die warme wie sonore Erzählerstimme, die als voice-over über den ganzen Film gelegt ist, zu Beginn angekündigt wird. Und natürlich die Assoziation Persien und seine lange Tradition der Märchen, die sofort abgerufen wird. Nicht selten bewegen sich die Protagonisten, also die Realfiguren in einem animierten Rahmen, und ganze Sequenzen und Erzählabschnitte sind reine Animation, während wieder bei anderen jegliche Animation fehlt.
Mathieu Amalrics – schnauzbärtig gibt er den immer gleich aussehenden Nasser – Kapital sind unzweifelhaft seine Augen. Ihre Größe lassen uns darin Geschichte und Emotionen der verschiedenen Nuancen lesen, sie sind sein starkes Kommunikationsmittel, und nicht umsonst war es sein Auge, über das seine Filmfigur in Julian Schnabels "Schmetterling und Taucherglocke" ausschließlich mit der Außenwelt in Kontakt treten konnte. Abgesehen davon gibt er stilsicher den leicht zynischen Künstler. Chiara Mastroianni, Tochter von Fellini-Mime und Legende Marcello Mastroianni, betritt die Bühne als Beinahe-Femme-fatale, als draufgängerische auch undurchsichtige Tochter von Nasser, die sich physisch zugrunde richtet, ohne dabei aber an Würde zu verlieren. Großartig Mastroiannis Spiel. Die Rolle von Nassers Mutter hat Isabella Rossellini übernommen. Rossellini hat ein Faible für außergewöhnliche Produktionen und in ihrer kleinen Rolle als Mutter von Nasser ist für sie die Darstellung der bestimmenden Matriarchin eine Fingerübung. "Huhn mit Pflaumen" ist betuliches Unterhaltungskino mit dem dazugehörigen Schuss Poesie. Sven Weidner /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Prokino Filmdaten Huhn mit Pflaumen (Poulet aux prunes) Frankreich / Deutschland / Belgien 2011 Regie & Drehbuch: Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud basierend auf der gleichnamigen Graphic Novel von Marjane Satrapi; Darsteller: Mathieu Amalric (Nasser-Ali), Edouard Baer (Azraël), Maria de Medeiros (Faringuisse), Golshifteh Farahani (Irâne), Eric Caravaca (Abdi), Chiara Mastroianni (Lili als Erwachsene), Mathis Bour (Cyrus), Enna Balland (Lili), Didier Flamand (der Musiklehrer), Serge Avédikian (Irânes Vater), Rona Hartner (Soudabeh), Christian Friedel (Cyrus im Alter von 22 Jahren) und als Gäste: Jamel Debbouze (Houshang / Der Bettler), Isabella Rossellini (Parvine) u.a.; Produktion: Celluloid Dreams; Produzent: Hengameh Panahi; Kamera: Christophe Beaucarne; Musik: Olivier Bernet; Schnitt: Stéphane Roche; Länge: 91,29 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Prokino Filmverleih GmbH; deutscher Kinostart: 5. Januar 2012 Auszeichnungen / Nominierungen:
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