30.06.2021

Outing als Heteros

Happy, Texas

Eine Verwechslungskomödie à la "Die Abenteuer des Rabbi Jacob" oder "Manche mögen's heiß" strebten die Macher von "Happy, Texas" an. Dies ist auf immerhin halber Strecke gelungen. So, wie Louis de Funès als rassistischer Katholik auf der Flucht die Rolle eines jüdischen Rabbiners, des genannten Rabbis Jacob, übernehmen muss, oder wie die Figuren von Tony Curtis und Jack Lemmon in "Manche mögen's heiß" auf der Flucht zu Frauen "konvertieren", so sind auch in diesem Film zwei Strafgefangene auf der Flucht, die bald für zwei schwule Kinderwettbewerb-Veranstalter gehalten werden. Sie übernehmen diese Rollen mit einigen Verwicklungen. Denn sie haben es auf das Geld der örtlichen Bank abgesehen, mitten im texanischen Niemandsland.
Regisseur und Co-Drehbuchautor Mark Illsley inszeniert seine Hauptdarsteller Steve Zahn und Jeremy Northam originell, wobei die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten: Zahn ist der rhetorisch unbegabte Hinterwäldler, Northam (britischer Schauspieler in amerikanischer Rolle) der eloquente Charmebolzen.

Die ersten Minuten von "Happy, Texas" sind nicht gut gefilmt, das Kinopublikum überfordernd: Wayne Wayne Wayne Junior (Steve Zahn) legt sich als Strafgefangener bei der Außenarbeit mit einem ebenso inhaftierten Mörder namens Maslow (M. C. Gainey) an im Beisein des weiteren Knastis Harry Sawyer (Jeremy Northam). Im Auto auf dem Rückweg ins Gefängnis eskaliert der Streit, der Wagen verunglückt, die drei können flüchten, Maslow macht sich gleich selbständig. Mit der Polizei auf den Fersen klauen die beiden Hauptcharaktere einen Wohnwagen – Wayne ist Autoknacker – und wissen nicht, dass dieser einem homosexuellen Paar gehört, das als Veranstalter eines Wettbewerbs für Kinder bereits im Örtchen Happy sehnlichst erwartet wird. Dort kommen sie an und werden für die Schwulen gehalten, allen voran vom melancholischen Sheriff Dent (William H. Macy). Der Film nimmt jetzt in gelungener Weise an Fahrt auf, denn Sawyer verliebt sich in die örtliche Bank-Chefin Josephine, genannt Joe (Ally Walker), die ihn ihrerseits für eine gute "Freundin" hält, aber mehr ist nicht drin, er sei ja schließlich schwul. Was Sawyer nicht ist, im Gegensatz zum Sheriff, der sich seinerseits in Sawyer verliebt, nachdem er immer seine Gefühle unterdrückte. Derweil ist Wayne gezwungen, Kinder auf den Wettbewerb vorzubereiten. Was er nun gar nicht kann, aber er feiert Erfolge.

Auch das Ende ist schwungvoll: Der Mörder Maslow findet die beiden und möchte die Bank ausrauben, wovon Sawyer zwischenzeitlich abrückte aus Liebe zu Joe, die Maslows Geisel wird. Während des Kinder-Wettbewerbs gibt es einen intelligent inszenierten Showdown. Bei dem Sawyer und Wayne sich als Heteros outen müssen.

Der Film lebt von der Unterschiedlichkeit der beiden Männer, von klug erzählter Romantik, von Humor, für den Zahn als Wayne verantwortlich zeichnet, vor allem aber von der sensibel dargestellten Gefühlswelt des Sheriffs (William H. Macy spielt großartig), der Sawyer seine Empfindungen für ihn beichtet. Und das in Texas 1999! Dies ist das Manko des Films: Sollen wir Zuschauer*innen glauben, dass der stets konservativ wählende, Waffen-närrische Staat Texas so aufgeschlossen ist, dass er gerne Homosexuelle aufnimmt? Immerhin berichtet eine ortsansässige Frau den beiden, sie erinnere sie an den schwulen Entertainer Liberace. Und beglückt sie so.

Regisseur Mark Illsley macht in seinem ersten von bislang zwei Filmen viel richtig, das Tempo stimmt (außer am Anfang), der Humor könnte noch bissiger sein, vielfältiger – man möchte mehr von Waynes peinlichem Unterricht sehen –, aber das Schwulsein in seiner progressiven Darstellung ist das versteckte Problem des Films, die Unterdrückung von Homosexualität in konservativen Regionen der USA existiert angeblich nicht. Sollen wir es wirklich glauben?  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

Happy, Texas
(Happy, Texas)

USA 1999
Regie: Mark Illsley;
Darsteller: Jeremy Northam (Harry Sawyer), Steve Zahn (Wayne Wayne Wayne Jr.), William H. Macy (Sheriff "Chappy" Dent), Ally Walker (Joe), Illeana Douglas (Ms. Schaefer), M.C. Gainey (Bob Maslow), Ron Perlman (Nalhober), Mo Gaffney (Mrs. Bromley), Paul Dooley (der Richter), Jillian Berard (Madison), Scarlett Pomers (Jency), Rance Howard (Ely) u.a.;
Drehbuch: Ed Stone, Mark Illsley, Phil Reeves; Produzenten: Mark Illsley, Rick Montgomery, Ed Stone; Kamera: Bruce Douglas Johnson; Musik: Peter Harris; Schnitt: Norman Buckley;

Länge: 98 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; deutscher Kinostart: 6. Januar 2000



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