14.02.2017
Dem man nicht vergibt

Zwischen den Jahren (2017)


Zwischen den Jahren: Filmplakat Jeder ruft ihn bei seinem Nachnamen: Becker. Der grobschlächtige, tätowierte Mann (Peter Kurth) arbeitet als Wachmann. Ein neuer Arbeitskollege (Leonardo Nigro), ein Ex-Polizist, erkennt an den Tattoos Beckers dessen Vergangenheit im Knast. Weshalb Becker sitzen musste, erfährt der Zuschauer nicht sofort: Er hat vor 15 Jahren eine Frau und ihr Kind bei einem missglückten Einbruch "weggemacht", wie es der zornige Becker ausdrückt. In ihm steckt viel Wut. Auf sich selbst: Er hat die Tat sichtlich bereut. Aber da ist noch Dahlmann (Karl Markovics), der Mann, der nach dem Totschlag seiner Frau und seines Kindes auf Rache sinnt…
Regisseur und Drehbuchautor Lars Henning lässt sich in seinem ersten Kinofilm viel Zeit für die Entwicklung der Story. Diese verläuft vorhersehbar und zerfasert in Nebenhandlungsstränge wie Beckers Auffrischen seiner Rocker-Vergangenheit mit anschließendem neuem Raub. Düsternis prägt den Film, selten ist Tageslicht zu sehen. Aber Dunkelheit allein ist kein filmisches Bild für sich. Die Schauspieler Kurth und Markovics im Duell ihrer Filmrollen sind dafür den Kinobesuch wert.

Zwischen den Jahren: Leonardo Nigro, Peter Kurth Weihnachtszeit. Es ist aber für Autorenfilmer Henning keine besinnliche Zeit. Sondern die Zeit der Dunkelheit, die Zeit der dunklen Jahreszeit. Wenn der Film mal heller wird, dann in der Kölner U-Bahn. Dort sieht Dahlmann erschrocken Becker wieder. Den Mann, der vor über einer Dekade Dahlmanns Familie ausgelöscht hat. Für den durch den Verlust heruntergekommenen Ex-Familienvater ist die Tat nicht gesühnt trotz Knastaufenthalts Beckers, er beginnt den reuigen Becker zu verfolgen. Zu stalken. Zu terrorisieren. Und Becker? Er möchte das Vergangene abhaken. Er hat mit der Tat abgeschlossen – aber die Tat nicht mit ihm. Ein Rededuell bei einem Treffen in einem Restaurant ist ein Höhepunkt des Films und erinnert an die Begegnung im US-Film "Heat" (1995). Dort trafen die erbitterten Gegner Schurke und Cop (Robert De Niro und Al Pacino) ebenfalls in einer Gaststätte aufeinander, um miteinander zu sprechen, bevor es ernst wird. In beiden Filmen ist das Gespräch eine schauspielerische Glanzleistung. In "Zwischen den Jahren" zeigen Peter Kurth und Karl Markovics, was sie als Darsteller zu leisten imstande sind. An ihnen liegt es nicht, dass die Handlung des Films allzu konventionell abläuft. Dass Beckers Hund sterben muss, erahnt der Zuschauer weit bevor es geschieht; der Film leidet unter vorhersehbaren Ereignissen.

Themen des Films sind Reue und Sühne, die von Lars Henning gegeneinander ausgespielt werden. Dahlmanns Leid ist greifbar, auch wenn Frau und Kind im Film nie zu sehen sind, nicht tot, nicht lebendig. Beckers Bereuen ist ebenfalls fühlbar, auch wenn es sich camoufliert: Becker hat sich eine raue Fassade angeeignet, um nicht selbst verletzt werden zu können. Doch hinter der Schale, die Henning dem Zuschauer aufbricht, ist ein weicher Kern. Des Regisseurs Stärke ist diese Emotionsvermittlung, dem Zuschauer ist Empathie für beide Seiten ermöglicht. Des Regisseurs Schwäche ist sein fehlendes Gespür für eine Dramaturgie, die dem Kinopublikum Neues mit auf den Weg gibt: Das Gefühl stellt sich ein, den Film schon zu kennen, und sei es aus "Tatort"-Folgen, an die "Zwischen den Jahren" samt blutigem Finale erinnert.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: temperclayfilm 2017

 
Filmdaten 
 
Zwischen den Jahren (2017)  
 
Deutschland 2017
Regie & Drehbuch: Lars Henning;
Darsteller: Peter Kurth, Karl Markovics, Catrin Striebeck, Leonardo Nigro u.a.;
Produzentin: Eva Laass; Kamera: Carol Burandt von Kameke; Schnitt: Jan von Rimscha;

Länge: 96,21 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von temperclay Filmverleih; deutscher Kinostart: 16. März 2017



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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