23.10.2018
Suche nach dem Bossa-Nova-Mann

Wo bist du, João Gilberto?


"Warum einen Mann finden, der offensichtlich nicht gefunden werden will?"
So beginnt Marc Fischer sein Buch "Hobalala". Seiner Suche nach dem sich aus dem gesellschaftlichen Leben komplett zurückgezogenen Bossa-Nova-Sänger João Gilberto folgt jetzt auch der Film von Georges Gachot, eine liebevolle Hommage.

Wo bist du, João Gilberto? Als spiele das Leben von Gilberto irgendwo im Bermuda-Dreieck. Wer dahin aufbricht, muss lieber auf sich selber Acht geben. Der Autor konnte zu diesem neuerlichen Projekt jedenfalls nicht mehr befragt werden, denn Fischer nahm sich 2011 das Leben, gerade mal 41 Jahre alt. Sein Buch "Hobalala" erschien ein paar Tage danach, die Figur Gilberto darin allerdings nur als Fata Morgana, getroffen hatte er ihn nicht. Trotz vieler Begegnungen mit alten Weggefährten in Brasilien, die selbst vor Jahren den direkten Kontakt entweder verloren hatten oder dieser zumindest auf Telefonate beschränkt wurde.

So unterscheidet sich der Film schon einmal grundsätzlich von einer anderen Entdeckungsreise zu einem scheinbar verschollenen Musiker. Denn bei "Searching for Sugar Man" von Regisseur Malik Bendjelloul ging es 2012 um den in seiner amerikanischen Heimat unbekannten Musiker Rodriguez, der, eher durch Zufall, nur regional im lange abgeschotteten Südafrika eine Fangemeinde fand. Der Film hatte ihn und seine Folk-Songs dann auch für viele im Rest der Welt bekannt gemacht.

Gilberto war dagegen ein Weltstar, denn wer würde nicht die vorgepfiffene Refrainzeile von "Girl from Ipanema" sofort erkennen? Eben. Also begibt der Kinogänger sich mit Georges Gachot auf Spurensuche, um dem Sänger doch noch zu begegnen, oder wenigstens der Magie des Bossa Nova. Das Buch dient ihm als Reiseführer, assistiert von Rachel, die er wie Marc Fischer ebenso "Watson" nennt.

Wo bist du, João Gilberto? Etwas verloren wirkt Gachot vor allem in Rio de Janeiro schon, denn er stößt immer wieder auf verschlossene Türen (Gilberto lebt inzwischen in einem Hotel, das er vermutlich nur nachts verlässt, wenn überhaupt noch). Das Brasilien von heute kennt seine Legende zwar noch, aber hört inzwischen die populäre Musik der globalisierten Welt (wenn man nicht gerade in einer Hotel-Bar sitzt). Aber wenn Gachot Gilbertos damalige Vertraute um eine Kostprobe bittet, lassen sich diese nicht lange bitten, und schnell entsteht ein kleiner Pulk von mitschwingenden Cafegästen oder Passanten. In solchen Momenten lebt auch der Film auf.

Ratlose Musiker und frühere Freundinnen erzählen ansonsten Anekdoten und ihre Ahnung, was ihn denn zum Eremiten werden ließ. Der Komponist Antônio Carlos Jobim wäre wohl sehr hilfreich gewesen, lebte er noch, denn er hat vieles für seinen damaligen Freund und dessen ganz einzigartigen Gitarrenstil und weiche Stimme komponiert. Neben dem bekannten Übersong "Girl from Ipanema" auch das wehmütige "Chega de Saudade" - Schluss mit der Sehnsucht. Dies ist der eigentliche Schlüsselsong des Films, denn João Gilberto scheint sich in seiner Musik aufgelöst zu haben. Er sitzt offensichtlich die meiste Zeit seines Lebens im engen Badezimmer und spielt mit seiner leisen Stimme die alten Akkorde, wie in seiner eigenen kleinen Kirche. Auch der anerkannte Experte Gachot würde so gerne einmal Zeuge einer ganz privaten Session werden. Seine Suche nach dem Begründer des Bossa Nova begann schon vor Marc Fischer. Jetzt wollte er diese beenden und wagte sich nochmal an ein Portrait der brasilianischen Legende.

Eines sei verraten, Gachot kam ihm zumindest näher.  

Jürgen Grötzinger / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Stéphane Kuthy

 
Filmdaten 
 
Wo bist du, João Gilberto? (Where Are You, João Gilberto?) 
 
Schweiz/Deutschland/Frankreich 2018
Regie: Georges Gachot;
Drehbuch: Georges Gachot, Paolo Poloni; Produzenten: Andreas Atzwanger, Pierre-Olivier Bardet, Georges Gachot, Christoph Menardi, Torben Struck; Kamera: Stéphane Kuthy; Musik: João Donato; Schnitt: Julie Pelat;

Länge: 110,47 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih der Farbfilm Verleih GmbH; deutscher Kinostart: 22. November 2018



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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