11.04.2016
Ein Film der 66. Berlinale 2016, Sektion Kulinarisches Kino

Wanton Mee


Das Gericht aus gebratenen Nudeln und Klößen ist nur eine der Spezialitäten von Singapurs multikultureller Landesküche, die Eric Khoo in seiner gleichnamigen Tragikomödie zelebriert. Seine Hommage webt der international erfolgreichste Regisseur und Drehbuchautor des Inselstaats in ein fiktives Handlungsgerüst um den alternden Restaurantkritiker Chun Feng Koh (Boon Pin Koh). Den schweigsamen Einzelgänger verbindet mehr als nur die Arbeit mit der quirligen Street-Food-Kultur, die Franchises zu weichen droht.

Nostalgie und Konventionalismus gehen Hand in Hand in der filmischen Liebeserklärung an die versteckten Köstlichkeiten der Straßenmärkte, die Chun für seine Magazin-Reportagen besucht. Singapurs traditionelle Küche verdankt ihren komplexen Charakter dem ethnischen Mix der Bevölkerung. Malaien, Chinesen und Inder bereichern sie mit regionalen Einflüssen ihrer eigenen variationsreichen Esskultur. Die in Kombination mit einheimischen Zutaten entstandenen Gerichte sind zugleich simpel und außergewöhnlich. Ob im Gourmetrestaurant oder am Straßenstand, man finde immer exzellentes Essen vor, sagt Chun Feng. Das müsste seinen Job als Gourmetkritiker eigentlich überflüssig machen, aber der Plot ist hier sowieso nur Staffage. Als Insider kennt Chun all die familiären Lokale mit den leckersten Gerichten. Die perfekte Zubereitung erfordert oft jahrelange Erfahrung. Khoo schaut den authentischen Food Hawkern bei ihrer Kunst über die Schulter und lauscht in Interviews ihrem Werdegang. Alle sind in die Tradition hineingeboren, obwohl die jüngere Generation oft erst über Umwege am heimischen Herd-Stand landete. Nicht selten rieten sogar die Eltern den Kindern zu einem lukrativeren Beruf. Die Food-Hawker-Kultur ist aus der Not geboren.

Der Verkauf von Fast Food – rasch zubereiteten, verzehrfertigen Speisen – bot vielen Immigranten eine Möglichkeit, ohne großes Startkapital sofort Geld zu verdienen. Die Zubereitungstechniken sind anspruchsvoll und meist strapaziös: stundenlanges Stehen am Wok, haarscharfes Überwachen der Nudel und das Formen dutzender Reisbällchen von Hand. Oft besteht der Alltag nur aus Arbeiten und Schlafen. Viele sehen ihre Familien kaum, dass weiß Chun aus eigener Erfahrung. Sein Vater (Bill Teoh) war Food Hawker und so selten zu Hause, dass Chun ihn als kleiner Junge nicht erkannte. Voll Bewunderung hört er die bisweilen tränenreichen Geschichten der Folgegeneration, die anders als er die Familientradition weiterführten. So groß wie sein Respekt vor der Tradition des preiswerten, guten Essens ist allerdings seine Abneigung gegen jede Form von Neuerung. Der Konservativismus des Hauptcharakters spiegelt augenscheinlich den des Regisseurs. Chuns junge Kollegin Claire (Tammie Chew) ist kindisch und trendhörig, worauf Chun und dessen befreundeter Kollege (Joe Moreira) mit spöttischer Herablassung reagieren. Weiblichen Food Hawkern, die in die Männerdomäne vordringen, begegnet er mit jovialer Herablassung.

Die handwerkliche Perfektion der Straßenköche steht in Kontrast zu dem steifen Spiel der Darsteller. Der Plot um Chun Beziehung zu seinem Vater und die angedeutete Romanze mit Claire stören die Kontinuität der Doku-Szenen nur. Die Kombination von verschiedenen Elementen mag beim Street-Food wunderbar aufgehen – Khoos Film macht sie nicht unbedingt schmackhafter.  

Lida Bach / Wertung: * * (2 von 5) 
 

 

 
Filmdaten 
 
Wanton Mee (Wanton Mee) 
 
Singapur 2015
Regie: Eric Khoo;
Darsteller: Boon Pin Koh, Bill Teoh, Tammie Chew, Joe Moreira u.a.;
Drehbuch: Tan Fong Cheng, Chew Chia Shao Min; Produzenten: Tan Fong Cheng, Junxiang Huang, Chew Chia Shao Min; Kamera: Tan Kang Wei; Musik: Christopher Khoo, Kevin Mathews; Schnitt: Lawrence Ang, Jiayi Gan;

Länge: 71 Minuten; deutscher Kinostart: unbekannt



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Der Film im Katalog der Berlinale
<11.04.2016>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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