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4. April 2001
Drogen - die neue kollektive Traumatisierung Amerikas?
Traffic - Macht des Kartells
Es gibt Ereignisse, von denen sich ein ganzes Land manchmal jahrzehntelang nicht erholen kann - man spricht in diesem Zusammenhang oft von "kollektiver Traumatisierung". Für die USA war das letzte derartige Trauma die Erfahrung des Vietnamkrieges. Unzählige Bücher, Filme und Einzelschicksale dokumentieren den tiefsitzenden Schock eines Volkes, das nur schwer verkraften konnte, diesen symbolträchtigen Stellvertreterkrieg gegen den kommunistischen Erzfeind zu verlieren. Nun, am Anfang des 21. Jahrhunderts, kündigt sich auf leisen Sohlen ein neues Trauma der Vereinigten Staaten an, und erneut ist die Ursache die Erkenntnis, dass "das Land der Freien" droht, einen ideologisch überfrachteten Kampf zu verlieren: nämlich den vielbeschworenen Krieg gegen die Drogen.
So formuliert in Steven Soderberghs neuem Film "Traffic" der neue Leiter der zentralen Drogenbekämpfungsstelle Robert Hudson Wakefield (Michael Douglas) bei einer Pressekonferenz im weißen Haus den Satz: "Wie können wir denn einen Krieg gegen die Drogen führen, wenn das bedeutet, diesen Krieg innerhalb unserer Familien auszutragen?" Dabei begann alles so vielversprechend.
Hochmotiviert hatte der ehemalige Richter sein Amt angetreten und schon bald zeichnete sich ab, dass es vielleicht gelingen könnte, in diesem Krieg dem Gegner einen schweren Schlag zuzufügen. Denn auf der anderen Seite der Grenze, in Mexiko, hat sich General Arturo Salazar (Tomas Milian) vorgenommen, eines der beiden großen Drogenkartelle hochgehen zu lassen. Dazu bedient er sich nicht nur der Hilfe des aufrechten, aber von der täglichen Erfahrung der allgegenwärtigen Korruption zermürbten, Polizisten Javier Rodriguez Rodriguez (Benicio del Toro). Der General knüpft auch Kontakte zu Wakefield, will erstmals in diesem Krieg in großem Stil mit den USA kooperieren. Doch sehr schnell beginnt das schöne Bild an allen Ecken und Enden zu bröseln. Rodriguez muss erfahren, dass der General alles andere als hehre Ziele verfolgt: er führt den Kampf gegen das Kartell von Tijuana nur, um die Macht des konkurrierenden Drogenbarons zu vergrößern. Und auch Richter Wakefields Welt droht auseinander zu brechen: Er macht nicht nur die Erfahrung, dass seine eigene Tochter schwerst drogenabhängig ist, als er als Reaktion auf diese Erkenntnis den Kampf "an vorderster Front" mitführen will, bekommt er vielleicht zum ersten Mal die Machtlosigkeit der Behörden in diesem Krieg zu spüren.
Formal ist "Traffic" perfekt inszeniert und dürfte über jeden Zweifel erhaben sein. Auch die schauspielerischen Leistungen tragen entscheidend zu diesem positiven Eindruck bei: Benicio del Toro verkörpert wunderbar einen Polizisten, der zwar im Herzen idealistisch geblieben ist, den aber die tägliche Erfahrung des Scheiterns und der Korruption unsagbar müde hat werden lassen. Catherine Zeta-Jones vollzieht den Wandel von der geschockten Ehefrau zur knallharten Drogenbaronin, die vor Auftragsmord und Drogenschmuggel mittels Kinderpuppen nicht zurückschreckt, derart überzeugend, dass dem Zuschauer angst und bange wird.
Daniel Möltner
/ Wertung:
* * * *
(4 von 5)
Filmdaten Traffic - Macht des Kartells (Traffic) USA 2000 Regie: Steven Soderbergh; Drehbuch: Simon Moore (Miniserie Traffik), Stephen Gaghan Darsteller: Michael Douglas (Robert Hudson Wakefield), Don Cheadle (Montel Gordon), Benicio Del Toro (Javier Rodriguez Rodriguez), Luis Guzmán (Ray Castro), Dennis Quaid (Arnie Metzger), Catherine Zeta-Jones (Helena Ayala), Steven Bauer (Carlos Ayala), Jacob Vargas (Manolo Sanchez), Erika Christensen (Caroline Wakefield), Clifton Collins Jr. (Francisco Flores, alias Frankie Flowers), Tomas Milian, Miguel Ferrer, Brian Avery, Topher Grace, Albert Finney, James Brolin, Amy Irving, Viola Davis, Benjamin Bratt, Salma Hayek u.a.; Kamera: Peter Andrews (alias Steven Soderbergh); Schnitt: Stephen Mirrione; Musik: Cliff Martinez; Produzenten: Laura Bickford, Marshall Herskovitz, Edward Zwick Länge: 147 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; Verleih: USA Films / 20th Century Fox Deutschland; deutscher Kinostart: 05.04.2001 Auszeichnungen: Oscars für beste Regie (Steven Soderbergh), bester Nebendarsteller (Benicio del Toro), bestes adaptiertes Drehbuch (Stephen Gaghan) und bester Schnitt (Stephen Mirrione), Golden Globes: Bester Nebendarsteller (Benicio del Toro), Bestes Drehbuch (Stephen Gaghan)
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