17.01.2013
The Sessions - Wenn Worte berühren
![]() "Sexualassistenz" – im angloamerikanischen Raum bekannt als "Sex Surrogate" – ist ein sicherlich wenig verbreiteter Begriff. Während "Sexualassistenten" (z.B. in Deutschland) jedoch keinen Geschlechtsakt praktizieren, gehen die "Sex Surrogates" den ganzen Weg. Sie helfen Behinderten beim Erlernen der Durchführbarkeit von Geschlechtsverkehr möglichst bis zum Gelingen. Damit ihr Weg in eine echte Partnerschaft geebnet wird.
Ein Nebencharakter, der das moralische Hinterfragen des (amerikanischen) Zuschauers ersetzen soll, ist Father Brendan, Marks katholisches Gewissen. Gespielt von William H. Macy ist dieser coole, entspannte und für Humor und tiefe Menschlichkeit empfängliche Pater ein Gewinn für den Film. Aus europäischer Sicht wäre ein solch "moralisches Gewissen" nicht unbedingt erforderlich gewesen – dennoch fügen die Gespräche mit dem Pater dem Film eine humane Ebene hinzu. Für ihre schauspielerische Leistung erhielten Helen Hunt und John Hawkes als Mark O'Brien einige namhafte Nominierungen – z.B. vom Golden Globe. Der Film selber erhielt den Sundance Publikumspreis 2012.
Auch die Fragen, ob platonische Liebe ausreichen kann, ob Sex und Liebe zusammengehören oder getrennt werden müssen, und auch, wann die Zumutbarkeitsgrenze im Bemühen, anderen zu helfen, erreicht ist – werden nur oberflächlich gestreift. Der Ehemann von Cheryl akzeptiert ihren Beruf, rastet aber aus, als er eine emotionale Beteiligung seiner Frau im Ausüben ihres Berufs erkennt. Wie schafft es ein Mann, diese beiden Gegensätzlichkeiten auf einen Nenner zu bringen? Regisseur und Drehbuchautor Ben Lewin hat sich für einen sehr privaten Film entschieden, der keine großen Fragen beantwortet. Er beobachtet mit der Kamera den Alltag dieser spezifischen Lebenssituation und fügt ihm die tiefgehende weil simple Lyrik Marks hinzu, die ruhig auch häufiger hätte auftreten können. Dadurch bleibt der Film in einer Art austarierten Haltung. Er generiert große Fragen und lässt sie offen, er regt an, sich neue Fragen zu stellen – allerdings produziert er eine gewisse fragende Starre, die nach mehr Wissen sucht. Besonders erfrischend sind jedoch die Dialoge – es wird nicht viel herumgeredet, es geht immer direkt und ehrlich zu. So wie in den Gedichten Mark O'Briens. Hilde Ottschofski /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Twentieth Century Fox Filmdaten The Sessions - Wenn Worte berühren (The Sessions) USA 2012 Regie & Drehbuch: Ben Lewin; Darsteller: John Hawkes (Mark), Helen Hunt (Cheryl), William H. Macy (Father Brendan), Moon Bloodgood (Vera), Annika Marks (Amanda), Rhea Perlman (Tauchbad-Frau), Adam Arkin (Josh, Cheryls Ehemann) u.a.; Produzenten: Judy Levine, Stephen Nemeth, Ben Lewin; Ausführende Produzenten: Maurice Silman, Julius Colman, Douglas Blake; Kamera: Geoffrey Simpson; Musik: Marco Beltrami; Schnitt: Lisa Bromwell; Länge: 95,44 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Twentieth Century Fox of Germany GmbH; deutscher Kinostart: 3. Januar 2013
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