07.02.2013
Meister aller Klassen

The Grandmaster


The Grandmaster: Zhang Ziyi "Prahl nicht mit deinem Stil", warnte ein eleganter Fremder mit einem weißen Fedora die ihn umringenden Feinde zu Beginn von "The Grandmaster", doch genau dies tut Wong Kar Wai in seiner epischen Martial-Arts-Vorführung. Der Mainstream-Auteur des Hongkong-Kinos widersetzt sich in einem bis in die kleinste Bewegung makellos choreografierten Eröffnungsfilm der 63. Berlinale dem Rat des vermeintlichen Titelcharakters mit solcher Vervollkommnung, dass die Inszenierung an eine Parodie des darin verklärten Purismus grenzt.

Er bezieht sich auf die Kunst des Kung Fu, in die das verregnete Anfangsexposé einführt. Der dialoglose Kampf vor theatralischer Kulisse zwischen Gegnern, deren Namen, geschweige denn Identitäten, nicht kennt, ist symptomatisch für den Sieg von Form über Inhalt. Mit ihm endet in der durchkomponierten Hymne auf einen den realen Kampfmeister Ip Man (Tony Leung) jedes Duell. Das erste ist ein bloßes Vorspiel der stilisierten Auseinandersetzungen, die den zweistündigen Plot ausfüllen. "Nicht schlecht", heißt es nach der Ouvertüre, als würde der Regisseur hinter der Szenerie grinsen. You ain't seen nothing, yet. Wer um die Kraft von Worten weiß, hält sich mit ihnen zurück, lehrt der Hauptcharakter und suggeriert damit, in den bombastischen Einstellungen läge größere Tiefe als die an der glatten Oberfläche kratzenden Monologe und Sophismen vermitteln. "Wenn das Leben Jahreszeiten hat, war meine ersten 40 Jahre Frühling", erzählt Ip während er auf die glückliche Vergangenheit mit seiner ergebenen Frau (Song Hye-kyo) und den Kindern zurückblickt.

The Grandmaster Damals unterrichtete er in der Provinz Foshan eine zugleich schlichte und wirksame Form des Kung Fu, die er regelmäßig im von hochrangigen Martial-Arts-Kämpfern protegierten Bordell Goldener Pavillon ausführt. Doch 1938 bricht mit der japanischen Besatzung der Winter seines Missvergnügens an. Eiskalt erwischt es schon zuvor den südchinesischen Altmeister Gong (Wang Qingxiang), dessen von falschem Verständnis von Macht und Ehre verblendeter Schüler Ma Shan (Zhang Jin) die Niederlage seines Lehrers gegen Ip nicht hinnehmen will und seinen Meister ermordet. Bevor er seinen Atem aushaucht schenkt der Sterbende seiner Tochter Gong Er (Zhang Ziyi) eine Forderung, an der sie ihre Unabhängigkeit beweisen kann: sich mit Ma Shan zu versöhnen und ihn als einzigen, der außer ihr alle der Kampfkombinationen der 64 Hände beherrscht, zu heiraten. Doch Gong Er, der als Frau der traditionelle Weg eine Kung-Fu-Meisters versperrt bleibt, hegt sowohl vor sich selbst als auch ihrem Umfeld versteckte Gefühle für den einzigen Kontrahenten, der ihr in physischer und geistiger Gewandtheit ebenbürtig ist: Ip Man.

Auch er spürt die Anziehung der schönen Herausforderin vom ersten Kräftemessen an. Die Wege der scheinbar alterlosen Charaktere kreuzen sich über die von Besatzung und Bürgerkrieg erschütterten Jahrzehnte chinesischer Geschichte, die "The Grandmaster" in verspielten Szenengemälden durchmisst. Der Sog, den der tänzerische Bilderrausch entfalten will verebbt in der dramatischen Hohlheit der biografischen Verklärung, die noch mehr eine historische ist. "The Grandmaster" ist keine einzelne Figur, sondern der Geist ehrwürdiger Kampfkunst. Er lässt die Protagonisten, die ihm gehorchen, siegen und diejenigen, die sich ihm widersetzen, letztendlich erliegen. Dieses Schicksal erleidet neben dem konturlosen Schurken Ma Shan auch die von den Kampfdarbietungen in den Hintergrund gedrängte Tragödie der unerfüllten Liebe zwischen Ip und Gong Er, der ein Wegbegleiter ihres Vaters sagt: "Manche Dinge liegen nicht in unserer Händen." Mögen diese auch 64 Kombinationen beherrschen, die der diesjährige Jury-Präsident Wong Kar Wai alle in seiner oberflächlich-opulenten Operette besingt.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Berlinale

 
Filmdaten 
 
The Grandmaster (Yi dai zong shi) 
 
Hongkong / China / Frankreich 2012
Regie & Drehbuch: Wong Kar Wai;
Darsteller: Tony Leung (Ip Man), Zhang Ziyi (Gong Er), Chang Chen u.a.;
Produktion: Wong Kar Wai, Jacky Pang Yee Wah; Kamera: Philippe Le Sourd;

Länge: 123,03 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der Wild Bunch Germany GmbH; deutscher Kinostart: 27.Juni 2013
Eröffnungsfilm der 63. Berlinale 2013



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der Film im Katalog der 63. Berlinale 2013
<07.02.2013>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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