13.08.2012
Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
![]() Alles läuft Highspeed, Quicktime, fast forward. Daneben läuft man selbst im Hamsterrad technologischen Fortschritts, der den Einzelnen ständiger Verfügbarkeitskontrolle aussetzt und in Verzugszwang bringt, indem er die durch Wartezeiten bedingten Atempausen aus dem Alltag eliminiert. Moderne Zeiten. Charlie Chaplin wurde im gleichnamigen Klassiker noch von der Maschinisierung schier zum Wahnsinn getrieben. Heute ist es die Computerisierung, glaubt man dem Zeitungsredakteur Alex Rühle, der ein halbes Jahr auf Handy-, Internet- und PC-Entzug ging, oder dem Millionär Douglas Tompkins. Der Modelabel-Gründer kauft in Patagonien ganze Landstriche, um sie vor der Industrialisierung zu bewahren und bezeichnet sein Notebook als Massenvernichtungswaffe. Das ist es wohl auch, wenn man zu den Opfern des durch Hightech-Industrie forcierten Ressourcenschwunds die Opfer durch PC-Stress bedingter Magengeschwüre zählt.
Etwa die Taschenspielertricks von Bestseller-Autor und Zeitmanagement-Berater Lothar Seiwert, dessen Assistentin schwärmt: "Sicher haben Sie schon alle fantastische Titel gehört, wie 'Gehe langsam, wenn Du es eilig hast.'" Ehrlich gesagt nein, was womöglich daran liegt, das sie den später sichtbaren Buchnamen verdreht. Dafür kennt man so fantastische Titel wie "Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Dass er zwei Werke, die als rasanter Actionfilm und weitläufige Romanchronik die thematischen Gegenpole von pausenloser Geschwindigkeit und reflexiven Innehaltens verkörpern, zitiert, bleibt Opitz' intellektuellste Motivdarstellung. Seine Erfahrung mit der Zeit beschränke sich nur noch auf ein Gefühl: "Sie fehlt." Ähnlich fühlt man den Mangel an Tiefgang, der das oberflächliche Gesellschaftsexposé durchzieht. Das Zeitgut zu finden, erhofft Opitz gar nicht. Er will Gewichtigeres: "Eine Antwort auf die ewige Menschheitsfrage: Wie wollen wir eigentlich leben?" Die Frage, die sich in Interviews und Existenzbeispiele andeutet, ist indes eine andere: Wie können wir uns leisten zu leben? Die sogenannten Entschleuniger, Berghüttenbetreiber, Almbauern, Landkäufer, Zeitpäpste, eint, dass sie materiell abgesichert sind. Die Pauschalsatz Zeit ist Geld wird zum Umkehrschluss: Geld ist Zeit. Pause machen muss man sich erst mal leisten können. "Wir haben nicht zu wenig Zeit", erklärt ein Zeitforscher. "Wir haben zu viel zu tun." Etwa lahme Filme wie den dokumentarischen "Speed" zu schlucken, um nach dem Kinobesuch das resignative Fazit des Regisseurs zu seufzen: "Ab jetzt werde ich endlich mehr Zeit haben. Hoffentlich." Lida Bach /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: Camino Filmverleih / DJV Filmdaten Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Deutschland 2011 Regie & Drehbuch: Florian Opitz; Produzent: Oliver Stoltz; Producer: Wekas Gaba; Kamera: Andy Lehmann; Musik: Von Spar; Schnitt: Annette Muff; Länge: 100,47 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Camino Filmverleih; deutscher Kinostart: 27. September 2012
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