06.03.2013
Sofia's Last Ambulance
Mit dem mehrfach preisgekrönten "Sofia's Last Ambulance" legt der bulgarische Regisseur Ilian Metev seinen ersten abendfüllenden Dokumentarfilm vor. Es ist der Kampf Davids gegen Goliath. Auf die zwei Millionen Einwohner der bulgarischen Metropole Sofia fallen 13 Ambulanzen, die täglich tapfer allen Widrigkeiten zum Trotz das schier Unmögliche versuchen – Leben zu retten.
Die subjektive Kamera lässt den Zuschauer direkt zu Beginn vorne im Krankenwagen sitzen und durch das verschmutzte Fenster schauen, während sich das Fahrzeug langsam seinem Ziel auf einem Fabrikgelände nähert. Dies ist einer der wenigen Momente, in denen auch das nahe Umfeld, die Außenwelt präsentiert wird. Kaum ist der Unfallort erreicht, folgt die Großaufnahme eines Gesichts. Nachdenkliche, wache Augen. Es ist Plamen, der Fahrer. Er ist einer der drei Protagonisten, deren unermüdlicher Arbeit die Kamera von nun an aus nächster Nähe folgen wird. Zusammen mit Krassi und Mila durchkreuzt er die holprigen Straßen Sofias, um Verletzte zu versorgen. Oftmals ist dies ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn beispielsweise die Straßen verstopft oder die leitenden Kollegen aufgrund von überlasteten Leitungen nicht erreichbar sind. Nicht immer kommt das Team deshalb rechtzeitig und muss sich von aufgebrachten Angehörigen vorwerfen lassen, am Tod der Liebsten Schuld zu sein. Einer der schönsten Momente gehört jedoch Mila, wenn sie beruhigend auf ein verletztes Kind einredet, um es von seinen Schmerzen abzulenken. Es braucht keine emotionsfördernde Musik oder einen Kommentator – die schwere Bürde, die das Team tagtäglich würdevoll zu tragen weiß, spiegelt sich in jedem Moment in ihren Gesichtern wider. Ein Team, das sich jedoch grandios ergänzt, und das sich ein Drehbuchschreiber auch nicht besser hätte ausdenken können. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass man tatsächlich etwas traurig wird, wenn der Abspann einsetzt. Gerne hätte man die sympathischen Protagonisten noch ein Weilchen länger begleitet. Insbesondere der konsequente Verzicht auf typische Stilmittel des Dokumentarfilms zeichnet Ilian Metevs "Sofia's Last Ambulance" aus. Gezeigt wird das Team, zumeist in Nahaufnahmen, die Patienten bleiben fast ausschließlich außerhalb des Kamerawinkels. Eine gefährliche Fahrt inmitten eines Verkehrschaos lässt sich lediglich an Milas Mimik rekonstruieren, alles andere wird der Fantasie des Zuschauers überlassen. So ist es nicht verwunderlich, dass diese kleine, aber feine Dokumentation nicht nur in Cannes den "France 4 Visionary Award" einstreichen durfte, sondern auch die "Silberne Taube" in Deutschland sowie den Preis für den besten Dokumentarfilm beim Karlovy Vary International Film Festival. Oliver Forst /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: W-film Distribution / Ilian Metev Filmdaten Sofia's Last Ambulance (Poslednata lineika na Sofia) Kroatien / Bulgarien / Deutschland 2012 Regie: Ilian Metev; Mitwirkende: Mila Mikhailova, Plamen Slavkov, Dr. Krassimir Yordanov; Produktion: Chaconna Films, Nukleus Film, SIA Advertising, Sutor Kolonko in Zusammenarbeit mit ARTE, WDR; Kamera: Ilian Metev; Schnitt: Bettina Ip, Ilian Metev; Länge: 79,45 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von W-film Distribution; deutscher Kinostart: 14. März 2013 Auszeichnungen siehe am Schluss der Kritik
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