27.01.1999
Eine Wiederverfilmung marginalisiert sich selbst
Psycho (1998)
![]()
Dass sich die 40.000 Dollar gegenüber dem Originaldrehbuch verzehnfacht haben, und sich so eine Neuerung bereits in den ersten drei Zeilen dieses Textes einfindet, ist purer Zufall, denn Änderungen sind rar in Gus Van Sants Remake des Thrillerwerkes von Alfred Hitchcock aus dem Jahre 1960. Keine weitere Fortsetzung von "Psycho", deren drei es bereits gibt ("Psycho II", 1982; "Psycho III", 1985; "Psycho IV - The Beginning", 1990), sollte es sein, sondern eine stark werkgetreue Wiederverfilmung. Mit der Entscheidung, im Gegensatz zu Hitchcock in Farbe zu drehen, beendete Gus Van Sant jedoch auch schon fast die Überlegungen, welche neuen Wege er in seinem Remake beschreiten könnte. Die Novität an Van Sants Remake ist das Fehlen von Novitäten. Er entschied sich, "Psycho" Dialog für Dialog und Einstellung für Einstellung nachzudrehen. Abgesehen von marginalen Änderungen übernahm er Joseph Stefanos Drehbuch vollständig.
Die vagen Anstrengungen, "Psycho" über die Farbigkeit hinaus einen modernen Anstrich zu geben, scheitern an dem engen Korsett, in das Van Sant den Film gezwungen hat und das keine großen Bewegungen zulässt. Auch die Schauspieler leiden an ihren genauen Vorgaben. Indem ihnen Mimik und Gestik der Originaldarsteller vorgegeben sind, werden diese auch in persona heraufbeschworen. Vince Vaughn erinnert in seinem Spiel unweigerlich an Anthony Perkins - und schneidet schlecht ab, da Perkins immer noch am besten Perkins geben kann. Hitchcock ließ seinen Akteuren größte Freiheit. Van Sant ließ dies ins Gegenteil verkehren und lässt seine Schauspieler schließlich im Vergleich mit ihren Vorbildern verlieren. Auch wenn Vince Vaughn es schafft, in einigen Szenen stärker und weniger gehetzt, also eigener, zu erscheinen, ist dies, unbesehen der möglichen Sinnhaftigkeit, Stückwerk, da er im Anschluss wieder den Gestiken von Perkins nacheifern muss. Hitchcock hat es in "Psycho" immer wieder geschafft, den Zuschauer zu manipulieren, in die Irre zu führen und zum Voyeur zu machen. Wenn Marion, nachdem sie das Geld unterschlagen hat, in ihrem Wagen aus der Stadt fahren will und auf ihren noch unwissenden Chef trifft, wünscht sich der Zuschauer nichts sehnlicher, als dass sie ungeschoren aus dieser anscheinend brenzligen Begegnung herauskommt. Durch die subjektive Erzählweise aus der Sicht Marions ist man bereits zu diesem Zeitpunkt von Hitchcock in die Lage versetzt worden, ein Verbrechen zu decken.
Philipp Wallutat
/ Wertung:
* *
(2 von 5)
Filmdaten Psycho (1998) (Psycho 1998) USA 1998 Regie: Gus Van Sant; Drehbuch: Joseph Stefano (nach einer Novelle von Robert Bloch); Kamera: Christopher Doyle; Musik: Bernard Herrmann (adaptiert von Danny Elfman); Schnitt: Amy Duddleston; Darsteller: Vince Vaughn (Norman Bates), Anne Heche (Marion Crane), Julianne Moore (Lila Crane), Viggo Mortensen (Sam Loomis), William H. Macy (Milton Arbogast), Robert Forster (Dr. Richmond), Philip Baker Hall (Sheriff Al Chambers), Rita Wilson (Caroline), Rance Howard (Mr. Lowery), Chad Everett (Tom Cassidy) u.a. Länge: 109 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; deutscher Kinostart: 7. Januar 1999
|
|