03.03.2010
Plastic Planet
![]() Dabei verbindet Boote selbst im Grunde schöne Erinnerungen mit dem Stoff, aus dem auch weiche Kinderplanschbecken hergestellt werden: Sein Großvater war in den 60er Jahren Geschäftsführer der Interplastik-Werke und konnte ihn immer mit dem neuesten Spielzeug ausstatten. Super-8-Aufnahmen zeugen von einer glücklichen Kindheit des Regisseurs inmitten aufblasbarer bunter Gummitiere. Life in Plastic, it's fantastic! Auch für John Taylor ist die Sache klar. Plastik bietet einfach so viele Vorteile: Es ist leicht, bruchfest und bleibt selbst nach langer Nutzung stabil. Zum Beweis lässt er stolz eine PET-Flasche auf den Boden fallen. Was liegt näher, als Plastik universell einzusetzen? Werner Boote ist jedoch auch eine Sache klar: Dass für Taylor, den Präsidenten von "Plastics Europe" (der Dachorganisation europäischer Kunststoffhersteller), das Geschäft mit Plastik ein milliardenschweres ist – und er dringend noch andere Leute befragen muss, wenn er sich ein differenziertes Bild machen will.
Denn unsere Ozeane sind, nur wenige Jahrzehnte nach Anbruch des "Plastikzeitalters", wie es der Regisseur nennt, zu einer globalen Müllkippe verkommen. Im Pazifik kommen auf ein Teil Plankton sechzig kleine Plastikteilchen. Bereits mit dem bloßen Auge sind sie in der Wasserprobe zu erkennen, die Boote auf offenem Meer entnimmt. Fische halten die Partikel für Nahrung, nehmen sie auf – und verenden. Wie war das mit der so gepriesenen Stabilität von Plastik? Bis zu vier Jahrhunderte dauert es, bis Plastik zerfallen ist. Viel Zeit, um Schaden anzurichten. Aber man braucht gar nicht erst bis ans Meer zu fahren. Auch in den Flüssen sind die Kunststoffe allgegenwärtig.
Glücklicherweise erschöpft sich Bootes Dokumentation bei weitem nicht in derlei didaktischen Tricks. Stattdessen gelingt es ihm, komplexe Zusammenhänge gut nachvollziehbar darzustellen. Gespräche wie das mit Margot Wallström, die als EU-Umweltkommissarin unter Romano Prodi eine umfassende Chemikalienrichtline auf den Weg brachte, erweitern die Perspektive. Mit Witz und Wiener Schmäh sorgt Boote für den unterhaltsamen Touch. Selbst wenn man nach dem Film nicht sofort seine halbe Wohnungseinrichtung entsorgen kann – denn das müsste man, um alle Plastikgegenstände loszuwerden – ein Anstoß zum bewussteren Konsumieren ist Bootes Film definitiv. Seine eigentliche Qualität liegt in der investigativen Hartnäckigkeit – auch wenn er damit an den Plastikpanzern der Industrielobby noch abprallt. Jasmin Drescher /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Farbfilm Verleih / 2. Foto zusätzlich: thomaskirschner.com Filmdaten Plastic Planet Österreich / Deutschland 2009 Regie & Drehbuch: Werner Boote; Mitwirkende: John Taylor, Felice Casson, Beatrice Bortolozzo, Manfred Zahora, Hermann Bicherl, Susan Jobling, Hiroshi Sagae, Vicky Zhang, Patricia Hunt, Scott Belcher, Fred vom Saal, Theo Colborn, Frederick Corbin, Jeff Harris, Charles Moore, Peter Frigo, Guido Brosius, Alessandra Desauvage, Kurt Scheidl, Margot Wallström u.a.; Produktion: Thomas Bogner, Daniel Zuta; Ausführende Produzenten: Tom Gläser, Ilann Girard; Kamera: Thomas Kirschner; Musik: The Orb; Länge: 95 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Farbfilm Verleih; deutscher Kinostart: 25. Februar 2010
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