06.03.2017

Noordzee, Texas

Belgien in den Sechzigerjahren: Der 14-jährige Pim (Jelle Florizoone) lebt mit seiner Mutter Yvette (Eva Van der Gucht) mitten im Nirgendwo an der belgischen Nordseeküste. Außer einer Kneipe namens "Texas", wo die ehemalige Schönheitskönigin Yvette an den Abenden als Akkordeonspielerin auftritt, ist nicht viel los in der verlassenen Gegend. Seine Tage verbringt der verschlossene Pim mit dem etwas älteren Nachbarsjungen Gino (Mathias Vergels), der mit seiner Mutter Marcella (Katelijne Damen) und der Schwester Sabrina (Nina Marie Kortekaas) im Haus nebenan wohnt. Während Gino die erotischen Annäherungen mit Pim als Spiel versteht, schlägt die Freundschaft bei Pim bald in erste Liebe um – als Gino nach Dünkirchen zieht und dort eine Freundin findet, bricht für den Verlassenen eine Welt zusammen.

Von seiner eigenen Mutter vernachlässigt, findet der Junge in Marcella eine Art Ersatzmutter und gewinnt das Herz von Ginos Schwester Sabrina, wobei die Gefühle trotz aller Bemühungen um Aufmerksamkeit freilich unerwidert bleiben. Für den Schausteller Zoltan (Thomas Coumans), der vorübergehend ein Zimmer bei Pim und seiner Mutter mietet, interessiert sich der Heranwachsende hingegen sehr – und hegt die Hoffnung, die Einöde an seiner Seite zu verlassen.

Der Flame Bavo Defurne erregte mit seinen preisgekrönten Kurzfilmen erste Aufmerksamkeit – zehn Jahre nach seinem letzten Kurzfilm "Kampvuur" folgt mit der Verfilmung des flämischen Jugendbuchs "Nooit gaat dit over" von André Sollie sein Langfilmdebüt als Regisseur. Das Coming-of-Age-Drama um Pim und sein Erwachsenwerden in der belgischen Provinz inszeniert Defurne auf sehr sensible Weise, mit einem ruhigen Tonfall und schick arrangierten Bildern – keine Frage, hübsch anzuschauen ist "Noordzee, Texas" in jedem Fall, und auch die Darsteller überzeugen.

Doch auf der erzählerischen Ebene hätte Bavo Defurne, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, die Spannungsschraube gern etwas entschiedener anziehen dürfen: Die Konflikte der Figuren spitzt der Regisseur zu keiner Zeit wirklich zu, vielmehr drücken sich Pims Liebeskummer und Sehnsucht in statischen Bildern, seiner schweigsamen Zurückgezogenheit und verhaltenen Blickwechseln aus. So erzählt "Noordzee, Texas" letztlich die altbekannte Geschichte rund ums Erwachsenwerden, erste Liebe und ersten Liebeskummer, ohne diesem Themenfeld allzu viel abzugewinnen.



Diese Filmkritik ist zuerst erschienen bei fluter.de.

 

Christian Horn / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

Noordzee, Texas
(Noordzee, Texas)

Titel für den englischsprachigen Markt: North Sea Texas
Belgien 2011
Regie: Bavo Defurne;
Darsteller: Ben Van den Heuvel (junger Pim), Jelle Florizoone (Pim), Nathan Naenen (junger Gino), Mathias Vergels (Gino), Eva van der Gucht (Yvette), Thomas Coumans (Zoltan), Katelijne Damen (Marcella), Noor Ben Taouet (junge Sabrina), Mickey (Mirza), Patricia Goemaere (Simone), Daniel Sikora (Maurice), Victor Zaidi (Julien), Nina Marie Kortekaas (Sabrina), Luk Wyns (Etienne), Ella-June Henrard (Francoise) u.a.;
Drehbuch: Bavo Defurne, Yves Verbraeken nach dem Roman von André Sollie; Produzent: Yves Verbraeken; Kamera: Anton Mertens; Musik: Adriano Cominotto; Schnitt: Els Voorspoels;

Länge: 97,45 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; Kinostart: 10. Mai 2012



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