5. Mai 2005
Netto
![]() Das Spielfilm-Debüt des Regisseurs Robert Thalheim geriet hölzern, Lösungsansätze aus dem Dilemma heraus kann der Film nicht präsentieren - aber warum einzelne Menschen mit sich und den Zuständen in der Hartz-IV-Ära nicht klar kommen, ist hier exakt dargestellt. Drei deutsche Kinofilme lassen sich derzeit gut und gerne in einem Atemzug nennen: "Hallesche Kometen", "Das Lächeln der Tiefseefische" - und "Netto". Die drei waren Wettbewerbsfilme des Filmfestivals Max-Ophüls-Preis Saarbrücken. Alle drei stammen von Nachwuchsregisseuren (so dass sie den Weg zum genannten Nachwuchsfilm-Festival fanden). Sie alle drehen sich um allein erziehende Väter, Ex-Familienväter, die sich finanziell, beruflich und sozial an den Rand der Gesellschaft haben drücken lassen, schlimmer noch, den Widerstand dagegen bereits aufgegeben haben. Johnny Walker jeweils fast als bester Freund - wären nicht die Söhne. Diese suchen noch ihren Weg im Leben, noch lange nicht entmutigt. Dabei kommt ihnen die Aufgabe zu, die Rollenverteilung im Vater-Sohn-Verhältnis umzudrehen, den Vater jeweils wieder auf die Beine stellen zu wollen - in den drei Filmen ein letzten Endes hoffnungsloses Unterfangen. "Hallesche Kometen" und "Das Lächeln der Tiefseefische" teilen sich dabei als Darsteller des Vaters sogar denselben Schauspieler (Peter Kurth). "Hallesche Kometen" und "Netto" hingegen haben eine nahezu identische Szene aufzubieten: Der Sohn möchte den Vater wieder im Beruf sehen, also trainiert er ihn für anstehende Bewerbungsgespräche. So knallhart wie ein Bewerbungsgespräch eben aussehen kann. Der Vater macht dies eher willenlos denn gegen seinen Willen mit, versteht sich. In "Netto" ist der Vater nicht mal von der Notwendigkeit eines Jobs überzeugt, glaubt der sich doch einer utopischen Sonderform von Ich-AG sehr nah.
Um eine Figur wie Marcel Werner zu finden, muss man derzeit nicht lange suchen. Im Fernsehen hat der Niedrigniveau-Philosoph Werner ein Alter ego namens "Dittsche". Die Überleitung von der Fiktion von TV und Kino in die Realität schafft der aus der Sozialwissenschaft stammende und von Harald Schmidt kolportierte Begriff des "Unterschichtenfernsehens". Die Misere in der deutschen Gesellschaft im Zeitalter von Hartz IV wird mittlerweile erkannt: Verpflichten die neuen Arbeitslosengeld-Regeln zur Jobsuche, bedeutet dies noch lange nicht, jedem die Arbeitsfähigkeit attestieren zu können. Zu lange sind Menschen der Kategorie Marcel Werner weg vom Fenster gewesen. Alkohol und Depression machen letzte Hoffnungen zunichte. Bezeichnend ist, dass drei angehende Regisseure in ihren ersten Leinwand-Werken als Thema jenen Kontrast Anspruch und Wirklichkeit protokollieren. Bei Olli Dittrichs Hamburg-Eppendorfer Bademantel-Ausgehuniformiertem "Dittsche" mag es noch lustig sein. "Netto" im Hinterhof der Regierung in Berlin demonstriert den wahren Sachverhalt, kurz vor Endstation Gosse. Der Titel "Netto" steht summa summarum für das, was vom Leben übrig blieb, nach dem Scheitern. "Netto", so erklärte es Regisseur Thalheim, stand ursprünglich auch für die gleichnamige Supermarkt-Kette. Eine Szene mit einem Überfall auf eine Filiale wurde geschnitten.
Michael
Dlugosch /
Wertung: *
* * (3 von 5)
Quelle der Fotos: Stardust Filmverleih Filmdaten Netto (Deutschland 2004) Regie: Robert Thalheim; Darsteller: Milan Peschel (Marcel Werner), Sebastian Butz (Sebastian Werner), Stephanie Charlotta Koetz (Nora), Christina Grosse (Angelika), Bernd Lambrecht (Bernd) u.a.; Drehbuch: Robert Thalheim; Produktion: Matthias Miegel; Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf"; Co-Produktion: ZDF - Das kleine Fernsehspiel; Kamera: Yoliswa Gärtig; Musik: Peter Tschernig; Länge: 90 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Stardust Filmverleih
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