06.10.2015
Mein Praktikum in Kanada
![]() Es sind die Dinge, die noch passieren werden, haucht dann eine Stimme aus dem Off und die Karte verschwindet. Als nächstes blicken die Zuschauer in ein hoffnungsvolles und strahlendes Gesicht eines dunkelhäutigen, altbacken gekleideten jungen Mannes mit einem blauen Lederkoffer: Souverain aus Haiti. Er schaut auf ein etwas in die Jahre geratenes Haus mit einem Dessousgeschäft im Erdgeschoss. Im ersten Stock befindet sich das Plakat seines milde lächelnden Zielobjekts: Herr Guibord persönlich. Tapfer erklimmt er die erste Hürde. Im Gespräch mit dem Abgeordneten wartet er nicht etwa auf die Zusage von Herrn Guibord. Für ihn ist es sonnenklar, dass heute der erste Tag seines Praktikums beginnt. Schließlich hat seine Familie in Haiti ihn auf die lange Reise entsandt, um direkt in Kanada das politische Geschäft zu erkunden. So beginnt die ungewöhnlich Symbiose eines pragmatischen lokalen Politikers und des idealistischen Praktikanten, der zu gern Rousseau zitiert. Alle Wege der lokalen Politik gibt es mit einer großen Portion Augenzwinkern dazu. Auch wenn es mal um Krieg und Tod geht, wartet schon die nächste Vorlage, um das Publikum in Gelächter ausbrechen zu lassen. Bei all den Fehltritten und Fauxpas muss man Herrn Guibord und Souverain einfach mögen. Mit viel Würde und verhältnismäßiger Gelassenheit meistern sie den Job und dieser ist überall: Selbst am Küchentisch beim Abendessen müssen sich beide den unangenehmen Fragen der Frau und Tochter stellen. Nicht nur das. Die Wähler kommen Herrn Guibord immer in die Quere, inhaltlich wie auch wörtlich. Der Stadt-Opa auf seinem Rollator sucht auf mysteriöse Weise genau dann seinen Weg auf der Straße, wenn Herr Guibord vorbeilaufen will.
Politikstunde als nette Farce: Die Arbeit der Politiker bietet allerhand Vorlagen. Schließlich bemerkt der Bürgermeister von Prescott als leicht verfälschtes Zitat: Politik sei die Kunst des möglichen Unmöglichen. Regisseur Philippe Falardeaus Film lässt eben dieses Zitat mit seiner Szenerie zum Leben erwecken. Falardeaus Figuren sind absurd und komisch, zuweilen ernst und realitätsnah. Er bewegt sich mit seiner Geschichte immer zwischen zwei Welten: der täglich erlebbaren Wirklichkeit und einer eleganten Komödie mit Wohlfühlcharakter. Die Witze sind pointiert und laufen nie Gefahr in eine extreme Lächerlichkeit zu fallen. Am Ende fragt man sich, ob die Wirklichkeit außerhalb des Kinosaals noch ohne Humor tatsächlich zu bewältigen ist. Diese Verbindung von lokalen Bedürfnissen, Sorgen, Nöten und Seilschaft sowie einer globalen und vernetzen Welt, in der wir alle auf Gedeih und Verderb zusammen sein müssen. Das mögliche Unmögliche dreht sich stets weiter. Margarethe Padysz /
Wertung: * * * *
(4 von 5)
Quelle der Fotos: Arsenal Filmverleih Filmdaten Mein Praktikum in Kanada (Guibord s'en va-t-en guerre) Alternativtitel: My Internship in Canada
Kanada 2015 Länge: 104,28 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih von Arsenal Filmverleih; deutscher Kinostart: 26. Mai 2016
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