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3. Januar 2002
Matrix: Hollywood
Mulholland Drive
Eine Limousine fährt langsam durch die Hügel Hollywoods. Sie hält. Die Frau auf dem Rücksitz wird mit einer Pistole bedroht, doch im selben Moment rast ein anderes Auto mit kreischenden Insassen in die Limousine und alles verändert sich... Eine andere Frau sitzt verzweifelt in ihrem Appartement. Da kommt ein kreischendes altes Ehepaar auf sie zu, sie kreischt mit ihnen und alles verändert sich... Surreal sind David Lynch's Filme fast immer, sie sind aber deshalb nicht immer unlogisch. Vertraut man / frau in die innere Logik der irrationalen Ereignisse von "Mulholland Drive" hat man / frau die Gelegenheit, sich an der Lösung eines Vexierrätsels zu versuchen, das mehr erzählerische Ebenen besitzt, als Kino es im Normalfall zu tun pflegt.
Im wesentlichen besteht "Mulholland Drive" aus zwei Teilen. Der erste Teil führt beide Protagonistinnen zusammen. Betty (die überwältigende Naomi Watts) ist eine junge Frau, die nach Hollywood kommt, mit dem Traum, ein "Star, oder noch besser eine Schauspielerin" zu werden. In ihrer Wohnung hat sich eine weitere junge Frau (Laura Elena Harring) versteckt, die ihr Gedächtnis verloren hat. Gemeinsam versuchen beide, "Ritas" (so nennt sie sich provisorisch, inspiriert durch ein Rita-Hayworth-Poster) Identität wiederzufinden. Bei ihrer gemeinsamen Suche entdecken sie (wie kann es bei Lynch anders sein?) finstere Spuren, eine Frauenleiche und schließlich die Liebe zu einander. Das Glück währt nur kurz. Nach einem sehr merkwürdigen aber auch sehr ergreifenden "Konzert" in einem sehr traumartigen "Cabaret" findet Rita den Schlüssel für ein Kästchen, das sie bei sich hatte. Als sie es aufschließt und ihr daraus das verlorene Gedächtnis "entgegenfällt", wird die spannende und noch hoffnungsvolle Gegenwart der Frauen von ihrer gemeinsamen finsteren Vergangenheit verschluckt, das heißt: Von Ritas (bzw. nun Camillas) Erinnerung an ihre gescheiterte Liebesgeschichte mit Betty, die vorher Diane hieß.
Denn beide Geschichten sind die beiden Chancen, die die Frauen bekommen, um ihre Liebe zu realisieren. In der gescheiterten Geschichte bleibt kein Stein auf dem anderen, wird keine Gemeinheit ausgelassen und der Reißwolf Hollywood und seine Agenten scheinen der Siegerin Camilla (Rita) wie selbstverständlich unter die Arme zu greifen, wenn sie ihre Geliebte, die Verliererin, restlos vernichten will. Vielleicht ist es der Schrei abgrundtiefer Verzweiflung, der irgendwelche Götter dazu bewegt, eine zweite Chance anzuberaumen. Doch ehe diese zweite Chance reifen kann, ist sie vorbei.
"Mulholland Drive" ist aber auch dick gefüllt mit dem gutem alten Lynchinterieur, welches mancher seit "Lost Highway" vermisst haben mag wie "nichts Gutes". Keine Angst: Stoff zum Träumen und zum Mirakeln, Absurdes und grotesk Lustiges, Skurriles und fürchterlich Unheimliches bietet "Mulholland Drive" tausendfach mehr als die nette und unheimlich unlynchige, da traumlose "Straight Story". Nur eine ganz leise, eine ganz kleine, ganz unmaßgebliche Fragerei kommt dabei aus meinem Hirn: Ist es diesmal nicht doch etwas weniger als früher, hat er sich diesmal nicht doch nur noch wiederholt, ist die Geschichte nun wirklich so anders als in "Lost Highway", ist das Böse in der Lynchwelt nicht doch langsam etwas zu abgedroschen und hohl,war es wirklich so aufregend, wie ich dachte, dass es sein müsse, kann ich dem Film wirklich 5 Punkte geben? Um das heraus zu finden, werde ich mir "Mulholland Drive" wohl noch mal ansehen müssen. Aber darauf freu ich mich schon ziemlich, ... irgendwie!
Andreas Thomas /
Wertung: * * * * (4 von 5)
Quelle der Fotos: Universal Filmdaten Mulholland Drive (Mulholland Dr.) Frankreich / USA 2001 Regie & Drehbuch: David Lynch; Darsteller: Justin Theroux (Adam Kesher), Naomi Watts (Betty Elms), Laura Elena Harring (Rita), Ann Miller (Coco Lenoix), Dan Hedaya (Vincenzo Castigliane), Mark Pellegrino (Joe), Brian Beacock (Studiosänger), Robert Forster ("Jackie Brown - Rum Punch"; Detective Harry McKnigh), Monty Montgomery (Der Cowboy), Billy Ray Cyrus (Gene), Lee Grant (Louise Bonner), James Karen (Wally Brown), Chad Everett (Jimmy Katz) u.a.; Produktion: Mary Sweeney, Alain Sarde, Neal Edelstein, Michael Polaire, Tony Krantz; Ausführender Produzent: Pierre Edelman; Kamera: Peter Deming; Schnitt: Mary Sweeney; Produktionsdesign: Jack Fisk; Musik: Angelo Badalamenti; Länge: 152 Minuten; FSK: ab 16 Jahren
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