31.08.2011
Zwischen Realität und Traum

Midnight in Paris


Midnight in Paris: Gil (Owen Wilson) und Inez (Rachel McAdams); Text und Foto: Concorde Filmverleih GmbH Die Einleitung sagt bereits alles über den folgenden Film aus und fasst die gesamte Problematik der Filmfiguren feinfühlig zusammen, ohne dem Zuschauer die Spannung zu nehmen. Gil spricht von seiner Fantasievorstellung eines Paris der 1920er Jahre, während ihn seine Freundin Inez mit Unverständnis und der Betitelung eines Träumers straft. Sie sieht nicht was er sieht. Eine Brücke über einem Seerosenteich ist für sie eine Brücke über einem Seerosenteich. Für ihn ist es das unfassbare Glück, genau dort zu stehen, wo einst Monet seine berühmten Seerosenbilder erschaffen hat und ein Ort der puren Idylle. Der romantischste Filmkuss des Paares erfolgt nicht umsonst bereits in den ersten fünf Minuten des Films und zeigt klar auf, dass es hier nicht um eine langsam anbandelnde Liebesgeschichte dieser zwei Protagonisten geht, sondern vielmehr um den Zerfall einer trügerischen Beziehung.

Inez entpuppt sich als Prachtexemplar einer amerikanischen Upper Class Familie, deren Eltern sich durch außergewöhnliches Spießertum und republikanische Ansichten auszeichnen. Die Diskrepanz zwischen dem rastlosen Schriftsteller Gil und den anderen wird noch größer, als diese sich durch ein pseudointellektuelles, amerikanisches Freundespaar erweitern. Nach etlichen besserwisserischen Vorträgen und nach etlichen subtilen Demütigungen seiner Freundin, hält er es nicht mehr in dieser Gesellschaft aus. Seine Freundin spricht in seiner Anwesenheit spöttisch über ihn, als ob er nicht daneben stünde, und will ihn zu kommerziellen Hollywooddrehbüchern verdammen, anstatt in seine Gabe als Buchautor zu vertrauen. Gil erduldet zunächst alles schweigsam wenn auch zunehmend zermürbter, versucht schließlich einen letzten Annäherungsversuch zu Inez, die ihm aber auch physisch nur den Rücken zuwendet. So verabschiedet er sich und läuft alleine, gedankenverloren und leicht angetrunken durch Pariser Straßen.

Midnight in Paris: Gil (Owen Wilson) trifft auf Ernest Hemingway (Corey Stoll) und Gertrude Stein (Kathy Bates); Text und Foto: Concorde Filmverleih GmbH Auf wundersame Weise landet er in den von ihm geliebten 1920er Jahren und findet sich plötzlich an der Seite von Cole Porter, Hemingway, Picasso und Dali wieder. Es dauert nicht allzu lange und Gil findet Gefallen an dieser surrealen Welt der Vergangenheit. Sie ist genau so, wie er sie sich in seiner Vorstellung ausgemalt hat. Elegant, leidenschaftlich, verrückt, durchzogen von faszinierenden Persönlichkeiten. Die Klischees der goldenen 20er Jahre werden voll und ganz bedient.

Woody Allen lässt uns auf der Straße Gils gehen. Zuerst sind wir verblüfft. Dann akzeptieren wir und nehmen an. Fangen an zu genießen. Owen Wilson als Gil hat es geschafft, diesen Moment der Bewusstwerdung und der Annahme, in dem er alle Zweifel und Abwehr niederlegt, einmalig auf die Leinwand zu bringen.

Allen bringt uns eine Traumvorstellung näher, die wohl in jedem schon einmal gebrütet hat. Die Wunschvorstellung einer Zeitreise in die zauberhafte Vergangenheit. Er entführt uns, lässt eine tote Welt noch mal in ihren schillerndsten Farben aufleuchten und aufleben und macht diesen Traum für jeden von uns für einige wertvolle Filmminuten greifbarer und beinahe real.

Midnight in Paris: Gil (Owen Wilson, r.) kommt mit Verkäuferin Gabrielle (Léa Seydoux) über eine Platte von Cole Porter ins Gespräch; Text und Foto: Concorde Filmverleih GmbH Gil erkennt am Schicksal einer weiteren Protagonistin, dass es eine subjektive Vorstellung ist, die die Vergangenheit so wunderbar erscheinen lässt und das eigene Leben in der Gegenwart langweilig, fad und grau. Es ist sowohl Verdrängung als auch Flucht. Es gelingt Gil, nicht nur aus der Illusion "Vergangenheit" zu entfliehen, sondern sich auch der Illusion der Gegenwart, seiner Beziehung zu entziehen, die nur noch Schein ist. Es ist eine nüchterne und gefühllose Trennung, die umso deutlicher macht, dass die beiden Verwickelten schon seit langer Zeit auf getrennten Wegen liefen.

Ein romantisches, reales Ende findet dennoch seinen Platz ohne dabei besonders kitschig zu werden. Gil trifft auf die Schallplattenverkäuferin, die ihm eine Cole-Porter-Scheibe verkauft hat. Ihre Begegnung ist herzenswarm und natürlich. Zum Schluss hin gesellt sich der Regen zu den beiden und sie wandern nass durch Paris, was Gil schon immer tun wollte. Vielleicht würde da ein Hauch Kitsch aufkommen, wenn Regen nicht so etwas wunderbar Nüchternes wäre.  

Angelika Imhof  / Wertung:  * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Concorde Film

 
Filmdaten 
 
Midnight in Paris (Midnight in Paris) 
 
Spanien / USA 2011
Regie & Drehbuch: Woody Allen;
Darsteller: Owen Wilson (Gil), Kathy Bates (Gertrude Stein), Adrien Brody (Salvador Dalí), Carla Bruni (Museumsführerin), Marion Cotillard (Adriana), Rachel McAdams (Inez), Olivier Rabourdin (Paul Gauguin), Michael Sheen (Paul), Léa Seydoux (Gabrielle), Alison Pill (Zelda Fitzgerald), Tom Hiddleston (F. Scott Fitzgerald), Corey Stoll (Ernest Hemingway), Kurt Fuller (John), Gad Elmaleh (Detektiv Tisserant) u.a.;
Produktion: Letty Aronson, Stephen Tenenbaum, Jaume Roures; Co-Produktion: Helen Robin, Raphael Benoliel; Ausführende Produktion: Javier Méndez; Kamera: Darius Khondji; Schnitt: Alisa Lepselter;

Länge: 94,27 Minuten; FSK: ohne Altersbeschränkung; ein Film im Verleih der Concorde Filmverleih GmbH; deutscher Kinostart: 18. August 2011



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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