|
22.08.2013
Michael Kohlhaas (2013)
Ein unnützer Querulant. Dieser Schimpf trifft die Titelfigur von Arnaud des Pallières' "Michael Kohlhaas" in Heinrich von Kleists Novelle. Das Urteil fällt in der Klassikervorlage jene Obrigkeit, gegen die der starrsinnige Staatsrebell ins Feld zieht. Pallières' karges Historienbild spart das Zitat wie so manche für filmische Fraktur prädisponierte Szene aus und trotzdem bündelt gerade dieser Ausspruch die interpretatorische Widersprüchlichkeit des streitbaren Helden.Ein solcher wird der Pferdehändler Kohlhaas (Mads Mikkelsen) schließlich trotz der kritischen Stimmen, die ihm als Mensch in der Novelle und darüber hinaus als literarische Gestalt begegnet sind. Pallières ist sich ihrer wohlbewusst, genauso wie der Vorkenntnis des Zuschauers, an den sich das im Gegensatz zu Volker Schlöndorffs "Michael Kohlhaas – Der Rebell", John Badhams "Reiter auf verbrannter Erde" und Milos Formans "Ragtime" jegliche Mainstream-Affinität ablegende Drama zu vorrangig zu wenden scheint. Dennoch setzt weder seine Verfilmung, noch deren Protagonist mit diesem Oppositionsgeist tiefer auseinander, was paradoxerweise gerade zu der intellektuellen Beschränkung führt, die Kohlhaas charakterisiert. Für ihn existiert kein innerer Konflikt, nur ein äußerer mit dem Baron (Swann Arlaud), der ihm zwei Rappen zerschunden hat. Die Tiere lässt er unter der Obhut seines Knechts César (David Bennent) als Pfand, als ihn die Männer des Barons unter dem Vorwand eines Passierscheins an der Weiterreise hindern. Der ostentativ ins Bild gesetzte Schlagbaum auf der Route, die er seit Jahrzehnten nimmt, versperrt ihm symbolisch den gewohnten Lebensweg. Je energischer sich Kohlhaas bemüht, darauf zu bleiben, desto weiter gerät er davon ab.
Die Landschaft mit ihren schroffen Felsvorsprüngen wird zur stillen Erzählerin des erschöpfenden Moraldramas, das Gewalt statt in epischen Spektakeln in ihrer Konsequenz zeigt: Narben, Blut, Wunden, Gefallene. Schließlich Kohlhaas' Gang aufs Schafott. "Er verlangt die einfachste Sache von der Welt", sagt Mads Mikkelsen über seinen Filmcharakter, dessen Tragödie ist, dass er dabei deren Komplexität verkennt. Lida Bach /
Wertung: * * *
(3 von 5)
Quelle der Fotos: polyband Medien Filmdaten Michael Kohlhaas (2013) (Michael Kohlhaas (2013)) Frankreich / Deutschland 2013 Regie: Arnaud des Pallières; Darsteller: Mads Mikkelsen (Michael Kohlhaas), Mélusine Mayance (Lisbeth), Delphine Chuillot (Judith), David Kross (der Prediger), Bruno Ganz (der Gouverneur), Denis Lavant (der Theologe), Roxane Duran (die Prinzessin), Paul Bartel (Jérémie), David Bennent (César), Swann Arlaud (der Baron), Sergi López (der Armlose), Amira Casar u.a.; Drehbuch: Christelle Berthevas, Arnaud des Pallières nach der Novelle von Heinrich von Kleist; Produzent: Serge Lalou; Kamera: Adrien Debackere, Jeanne Lapoirie; Musik: Martin Wheeler, The Witches; Schnitt: Sandie Bompar, Arnaud des Pallières; Länge: 121,32 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih der polyband Medien GmbH; deutscher Kinostart: 12. September 2013
Artikel empfehlen bei:
|
|