31.01.2012
Michael (2011)
![]() "Michael" wurde im Mai 2011 im Wettbewerb des renommierten Filmfestivals von Cannes gezeigt, erhielt damals aber keine Auszeichnung. Neben Applaus gab es dort auch Buhrufe. Man hat Schleinzer vorgeworfen, die Kriminalfälle Kampusch und Fritzl spektakulär auszunutzen. Doch diese Kritik wird dem Anliegen des Regisseurs nicht gerecht. Alles im Leben von Michael, der männlichen Hauptfigur, ist automatisiert und läuft jeden Tag gleich ab. Die Ankunft mit dem Auto nach der Arbeit. Das mechanische Schließen der Garage. Das mechanische Herunterlassen der Rollläden des Hauses. Es ist ein Einfamilienhaus, in dem scheinbar nur ein einzelner Mann lebt. Doch in Wirklichkeit ist es ein Zwei-Personen-Haushalt. Für den zweiten Bewohner ist es kein freiwilliger Aufenthalt. Ein entführter Zehnjähriger muss die meiste Zeit im Keller ausharren. Auch seine Anwesenheit ist für Michael automatisiert: Der Junge muss den Älteren befriedigen. Was der Film nicht abbildet. Aber die bloße Andeutung reicht, dass sich das nicht Gezeigte im Kopf des Zuschauers abspielt.
Es ist perfide und gleichzeitig konsequent, dass der Film wie seine erwachsene Hauptfigur heißt und nicht etwa wie das Kind, dessen Name nur beiläufig genannt wird. Der nüchterne Blick, den der Film auf das Verbrechen wirft, gilt auch dem Kind. Damit bleibt der Respekt vor dem Opfer gewahrt. Der Regisseur will nicht einfach nur Empathie für das Opfer wecken, die oft mit einem oberflächlichen Interesse an dem kriminellen Geschehen einhergeht. Indem Regisseur Markus Schleinzer im Film den Täter in den Mittelpunkt stellt und nicht das Kind, verhindere er "einen weiteren obszönen Blick auf die Opfer", sagte er in einem 3Sat-Interview. Stattdessen wird akribisch der banale Alltag des Mannes, seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter geschildert, wodurch der Film beim Zuschauer nachhaltiger wirkt als jeder effektbeladene Horrorfilm. Der Film nimmt den Täter nicht in Schutz, sondern zwingt den Zuschauer, sich mit dem Thema Pädophilie auseinanderzusetzen.
Beim Filmfestival in Cannes nicht ausgezeichnet, hatte die Hauptjury des Saarbrücker Festivals Max Ophüls Preis die besondere Qualität des Films mit der Verleihung des Hauptpreises gewürdigt. Michael Fuith wurde für seine außerordentliche Leistung in dem Film mit dem Darstellerpreis bedacht. Michael Dlugosch /
Wertung: * * * * *
(5 von 5)
Quelle der Fotos: Fugu Films Filmdaten Michael (2011) Österreich 2011 Regie & Drehbuch: Markus Schleinzer; Darsteller: Michael Fuith (Michael), David Rauchenberger (Wolfgang), Christine Kain (Mutter), Ursula Strauss (Schwester), Victor Tremmel (Schwager), Markus Schleinzer (energischer Vater) u.a.; Produktion: Nikolaus Geyrhalter, Markus Glaser, Michael Kitzberger, Wolfgang Widerhofer; Kamera: Gerald Kerkletz; Länge: 95,55 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von Fugu Films; deutscher Kinostart: 26. Januar 2012
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