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26. Dezember 2001
Salamitaktik
Memento
Wer aus diesem Film kommt, ist geplättet. "Memento" erfordert 100 Prozent Konzentration. Der Zuschauer kriegt die Geschichte von Leonard rückwärts erzählt. Am Anfang wissen wir exakt so wenig wie die Hauptfigur Leonard, der sich fragt, wo er gerade ist, am Filmende jedoch sind wir klüger als er, denn er kann sich immer nur etwa die letzten fünf Minuten seiner Geschichte merken. Scheibchenweise rückwärts erfahren wir, warum er zu Filmbeginn (Plot-Ende) Teddy erschießt,- falls es unserer Kombinationsfähigkeit gelingt bis zum Filmende (Plot-Anfang) durchzuhalten...
Die Welt des Leonard Shelby (Guy Pearce) zerfällt in viele kleine Teilchen, weil sein Kurzzeitgedächtnis nicht mehr funktioniert. Das bedeutet, dass er sich etwa alle fünf Minuten neu orientieren, neu definieren muss, aber weil er sich auf seine Krankheit "konditioniert" hat, kann er sich zumindest durchgängig merken, dass er sich nichts merken kann. Sein Gedächtnis ersetzt er durch "Mementos", Polaroidfotos von Personen und Orten, mit knappen Texten beschriftet, wie: "Teddy. Dont believe his lies." oder: "My Hotel". Wichtigere Daten lässt er sich auf den Körper tätowieren, darunter den Merksatz "John G. raped and murdered my wife", dessen Ergänzung lautet: "Find him and kill him". Diese Botschaft des alten Leonard, der seine Frau (und gleichzeitig sein Gedächtnis) verlor, ist sein Erbe an den neuen Leonard, sein rudimentäres Überbleibsel, einen Fünf-Minuten-Menschen, dem, hätte er nicht diese Mission zu erfüllen, offenbar kein Lebensziel mehr bleiben würde. Stück für Stück erleben wir nun rückwärts mit, in welchen Kurzzeitgefängnissen Leonard immer aufs Neue erwacht, immer wieder rekonstruiert, wo er ist, mit wem er es zu tun hat und welche Erkenntnisse er versucht festzuhalten, damit er in der nächsten Etappe weiter vorwärts kommt auf der Suche nach dem Mörder. Ihm gemein haben wir die völlige Unwissenheit über das "Vorher", wir unterscheiden uns von ihm, weil wir das "Danach" kennen.
Geisterhaft bewegt sich Leonard durch seine Etappen. Einzig beseelt vom Rachegedanken knüpft er Kontakte zur Halbwelt, stellt er Nachforschungen an in schmierigen Bars und Hotels, kritzelt er hastig Notizen, bevor das Gedächtnis versagt, um dann wieder fast vorne anzufangen...
Andreas Thomas
/ Wertung:
* * *
(3 von 5)
Filmdaten Memento (Memento) USA 2001 Regie: Christopher Nolan; Darsteller: Carrie-Anne Moss (Natalie), Joe Pantoliano (Officer John Edward Gammell / John G), Guy Pearce (Leonard Shelby), Stephen Tobolowsky u.a.; Drehbuch: Christopher Nolan nach einer Kurzgeschichte seines Bruders Jonathan; Länge: 113 Minuten; FSK: ab 16 Jahren; ein Film im Verleih von Helkon National Distribution GmbH
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