27.12.2007
Qualität vor Quantität
Mein bester Freund
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Für Coste steht viel auf dem Spiel. Denn als bei einem gemeinsamen Abendessen
alle Tischmitglieder betonen, sie seien nur Geschäftspartner, und vehement
abstreiten, sie verbinde auch eine Art Freundschaft mit dem erfolgreichen Antiquitätenhändler,
bricht es aus Costes Teilhaberin Catherine heraus: „Gib es zu! Du hast
gar keinen Freund!“ Coste aber lügt ihnen sogar einen allerbesten
Freund vor. Als niemand ihm glaubt, lässt er sich auf eine Wette mit seiner
Teilhaberin ein. Wetteinsatz: Seine kürzlich ersteigerte antike Vase,
die – der
Legende nach - ein griechischer Töpfer nach dem Tod seines besten Freundes
mit seinen Tränen füllte. Wert: 200.000 Euro. Zehn Tage gibt Catherine
Coste Zeit, den besten Freund zu präsentieren.
Ungeschickt wie Mr. Bean
Die Freundessuche erinnert bisweilen an Mr.-Bean-Filme. Coste verhält sich dermaßen ungeschickt, dass Menschen ohne Freundes-Störung à la Coste nicht einmal auf die Idee kämen, dass überhaupt irgendwer sich so dumm anstellen könnte. Wie bei Mr. Bean möchte man lachen, leidet aber bei all den Peinlichkeiten dermaßen mit, dass das Lachen im Halse stecken bleibt. Bei Coste noch vielmehr als bei Mr. Bean, da es hier nicht um Tolpatschigkeit, sondern um eine soziale Frage geht.
Obwohl es doch dank Internet heute scheinbar so einfach ist, Freunde zu finden, könnte der Film aktueller nicht sein. Denn was weiß Tila Tequila eigentlich über ihre „Friends“? Für eine Freundschaft mit Tila genügt ein Zweizeiler und ein Mausklick, es ist eine Sache von 2 Minuten. Ablehnen wird sie kaum – ihre Konkurrenz schläft schließlich nicht. Kann jemand, der sich um Millionen solcher Freunde kümmern muss, überhaupt einen besten Freund haben? Was ist überhaupt ein bester Freund? Der Film beschreibt den besten Freund als jemanden, der ein Risiko für den anderen eingehen würde, und den man nachts um drei jederzeit anrufen kann. Wer der 2.547.186 Freunde (Stand: 27.12.07, 12.43 Uhr) würde für Tila Tequila ein Risiko eingehen? Die Dame muss ihren Tag fast pausenlos vorm Computer verbringen – wo ist da Platz für Freunde? Oder verbindet ein Online-Chat zwei Menschen genauso wie ein Erlebnis in der realen Welt? Das "Fünf-Freunde"-Prinzip
Der Film betont, dass es kein Erfolgsgeheimnis für Freundschaften gibt. Coste, in seiner völligen Ignoranz, definiert einen Freund anfangs als jemanden, der die Erfolgsformel „SFE“ erfüllt: Sympathisch – freundlich – ehrlich! Doch einen besten Freund gibt es nicht von der Stange. Es geht nicht um ein makelloses Produkt, sondern um Menschen, die erst durch ihre Schwächen liebenswert werden. Um einen Menschen so gut kennen zu lernen, dass er zum besten Freund wird, muss man ihn mit allen Sinnen wahrnehmen – nicht zweidimensional medial gefiltert. Echte Freunde sind draußen vor der Tür eher zu finden als online. Freunde zu finden braucht Zeit – aber wer sich auch nur etwas geschickter anstellt als Coste, braucht kein halbes Jahrhundert dafür.
Tobias Vetter
/ Wertung:
* * * *
(4 von 5)
Filmdaten Mein bester Freund (Mon meilleur ami) Frankreich 2006 Regie: Patrice Leconte; Drehbuch: Olivier Dazat, Patrice Leconte; Darsteller: Daniel Auteuil (François Coste), Dany Boon (Bruno Bouley), Julie Gayet (Catherine) u.a.; Kamera: Jean-Marie Dreujou Länge: 94 Minuten; Verleih: Alamode Film; FSK: ohne Altersbeschränkung; Kinostart: 06.12.2007 (Deutschland)
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