29. Dezember 2005
Match Point
Ein junger Mann gerät unversehens in die High Society. Aufgrund seines gestiegenen Selbstbewusstseins verkalkuliert er sich im Privaten und schreckt schließlich vor einem Doppelmord nicht zurück, um seine Stellung zu verteidigen.
Auch ernste Filme hat Woody Allen neben seinen zahlreichen grandiosen Komödien schon gedreht; einen Thriller noch nicht. Match Point ist der erste Film nach Allens Umzug nach London, sein erster und nicht letzter dort gedrehter - und sein bester seit Jahren. Frage im Live-TV-Duell an die US-Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2004: Warum lieben Sie Ihre Frau? John Kerry antwortete: Ich liebe sie, weil ... weil sie so reich ist. Vielleicht brauchte Woody Allen den Tapetenwechsel. Seine Produktivität war gleichbleibend konstant - ein Film pro Jahr -, die Qualität seiner Filme aber erreichte nicht mehr das Niveau der siebziger bis frühen neunziger Jahre.
Chris Wilton (Jonathan Rhys Meyers) fängt als Tennislehrer neu an. Er war Tennisprofi, darin aber nicht sehr erfolgreich. Nun gibt es für ihn ein anderes Berufsleben im selben Metier, und man sieht der eine Mischung aus Bitternis und Gelangweiltsein beinhaltenden Mimik des jungen Mannes an, dass die Aufstiegslosigkeit dieses Jobs zu seiner ziellosen Einstellung passt. Tennis als Basis für die nun folgende Gesellschaftsstudie hat Woody Allen nicht grundlos ausgewählt, er erläutert es auch: Die Macht von Zufall bzw. Koinzidenz, das Zusammentreffen von Ereignissen mit Folgen, drückt sich am besten aus im Tennis. Ein Ball kann, zu knapp über das Netz geschlagen, auf die eine oder die andere Seite des Spielfelds fallen. Es entscheidet über Sieg oder Niederlage. Über Schicksal.
Woody Allens bislang drastischste Erfindung einer Filmfigur, Chris Wilton, ist eine Art noch fieseres Alter Ego des Tom Ripley; des jungen Mannes, aus der Feder der Autorin Patricia Highsmith stammend, der zum Mörder wird aus Neid auf die Oberschicht, aus dem Antrieb, zu ihr gehörig zu sein. Bei Woody Allen: um in ihr zu bleiben. Vielleicht verbittert es den Amerikaner Allen, dass das "Tellerwäscher wird zum Millionär"-Prinzip ein Mythos, eine hohl gewordene Phrase ist angesichts der Tatsache, dass man prinzipiell nur noch zu Wohlstand gelangen kann über die Eltern (das Ehepaar Hewett). Definitiv verbittert es ihn, dass die Arm-Reich-Schere noch weiter aufgegangen ist in den Zeiten von Globalisierung und Wohlstandsgefälle. Allen camoufliert die Kritik, indem er den märchenhaften Oberschicht-Seiteneinstieg von Wilton erfindet - und die kühle Kalkulation in dessen Gedanken pflanzt, die reiche Menschen zum Erhalt ihres Wohlstands konzipieren, siehe die von Topmanagern durchgeführten Massenentlassungen als Götzendienst für den Aktienkurs, und damit verbunden eigener Jobgarantie. Dem neureichen Berechner Wilton sind die Hewetts gegenübergestellt, die von den Machenschaften des angeheirateten Familienmitglieds, vom Verhältnis bis zu den Morden, in naivster Weise keine Ahnung haben, zu sehr hat sie die Existenz auf der Sonnenseite unsensibel gemacht. Das vielleicht einzig große Manko von "Match Point": Der Film hätte in Deutschland nicht schon ab sechs Jahren freigegeben werden dürfen; dafür ist das Ende des Thrillers zu aufwühlend, zu bewegend. Aber dafür kann Woody Allen nun gar nichts. Michael Dlugosch /
Wertung: * * * * *
(5 von 5)
Quelle der Fotos: Prokino Filmdaten Match Point (Match Point) GB 2004 Regie: Woody Allen; Darsteller: (in alphabetischer Reihenfolge wie im Film-Vorspann:) Brian Cox (Alec Hewett), Matthew Goode (Tom Hewett), Scarlett Johansson (Nola Rice), Emily Mortimer (Chloe Hewett), Jonathan Rhys Meyers (Chris Wilton), Penelope Wilton (Eleanor Hewett), Ewen Bremner (Inspektor Dowd), James Nesbitt (Kommissar Banner), Rupert Penry-Jones (Henry), Colin Salmon (Ian), Mark Gatiss (Tischtennisspieler) u.a.; Drehbuch: Woody Allen; Produktion: Letty Aronson, Gareth Wiley, Lucy Darwin; Ausführende Produktion: Stephen Tenenbaum; Co-Ausführende Produktion: Jack Rollins, Charles H. Joffe; Co-Produktion: Helen Robin, Nicky Kentish Barnes; Kamera: Remi Adefarasin; Musik: Stücke von Gaetano Donizetti, Giuseppe Verdi, Andrew Lloyd Webber, Carlos Gomes, Gioacchino Rossini, Georges Bizet; Länge: 124 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; ein Film im Verleih von Prokino; Film-Homepage: http://www.matchpoint-derfilm.de
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