01.12.2023

Mansfeld (2013)

Der Regisseur Mario Schneider verbrachte seine Kindheit im Mansfelder Land, einer vom mittlerweile eingestellten Bergbau im wahrsten Sinne des Wortes gezeichneten Region im Südwesten Sachsen-Anhalts. Mit seinen Dokumentationen "Helbra" (2003) und "Heinz und Fred" (2006) widmete der Filmemacher dem Ort seiner Kindheit bereits zwei Filme – nun bereiste Schneider für die Dreharbeiten von "Mansfeld" erneut seine alte Heimat und drehte einen atmosphärischen Dokumentarfilm über die Kindheit im Allgemeinen und einen urtümlichen Mansfelder Brauch im Speziellen.

Der Brauch, der "Mansfeld" gewissermaßen als Aufhänger dient, ist das so genannte "Drecksaufest", ein seit hunderten Jahren bestehendes Pfingstritual, das symbolisch den Winter aus den Dörfern vertreibt. Kleine Jungen schwingen hierbei in traditionellen Trachten vier Meter lange Peitschen und schlagen damit Männer aus den umliegenden Dörfern in die Flucht, die sich während der Flucht im Schlamm suhlen und den Winter symbolisieren. Schneider zeigt die Vorbereitungen dieses traditionellen Rituals und baut Archivmaterial aus der Stummfilmära in seinen Film ein, das auf die langjährige Tradition des bunt-schlammigen Treibens verweist. Ohne einen erklärenden Offkommentar entwirft der Filmemacher ein stimmungsvolles Porträt des Mansfelder Landes. Im Bildhintergrund ragt etwa ein großer schwarzer Berg aus alten Bergbautagen empor und verwandelt die Szenerie – im Zusammenklang mit der klassischen Musikuntermalung und den symbolträchtigen Bildern – in einen märchenhaften Ort, der zwischen Tradition und Moderne mäandert.

Das eigentliche Thema von "Mansfeld" ist aber die Kindheit, die anhand der Viertklässler Tom, Sebastian und Paul ins Blickfeld rückt. Die drei Kinder müssen im Jahr des Drehs die Aufgabe des Peitschenschwingens übernehmen und bereiten sich im Verlauf des Films auf diese gar nicht mal leichte Aufgabe vor. Schneider gelingt abseits der Rahmenhandlung um das "Drecksaufest" ein intimer Blick auf den Alltag der Kinder, die aus höchst unterschiedlichen Familien stammen. Während der hellsichtige Tom bei seiner Mutter und deren Lebensgefährtin aufwächst, hat der wortkarge Paul arge Probleme, in der Schule mitzukommen, und muss mit der oft resignierten Stimmung seines Vaters umgehen, der um seinen Arbeitsplatz bangt. Sebastian schließlich verbringt viel Zeit mit seinem kleinen Bruder und ist der Don Juan seiner Grundschulklasse. Zwischen Hausaufgaben und Freizeitgestaltung porträtiert Mario Schneider die drei Jungs, die beim nahenden Pfingstritual als Frühlings-Metapher herhalten sollen, und kommt seinen Protagonisten dabei erstaunlich nahe.



Diese Filmkritik ist zuerst bei fluter.de erschienen.

 

Christian Horn / Wertung: * * * (3 von 5)



Filmdaten

Mansfeld (2013)


Deutschland 2013
Regie, Drehbuch und Produzent: Mario Schneider;
Kamera: Florian Kirchler, Mario Schneider; Musik: Cornelius Renz, Mario Schneider; Schnitt: Mario Schneider, Gudrun Steinbrück;

Länge: 98 Minuten; FSK: ab 6 Jahren; deutscher Kinostart: 16. Mai 2013



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Zitat

"Was soll das denn sein - wo du doch Schauspieler sein kannst? Da will man doch nicht Arzt werden!"

Die Reaktion der schauspielernden Eltern von Michael Verhoeven (13. Juli 1938 - 22. April 2024) auf seinen Wunsch, Medizin zu studieren - er wurde Regisseur ("o.k.", "Die weiße Rose"), Schauspieler ("Das fliegende Klassenzimmer" (1954), "Der Pauker") und Arzt

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