14.02.2016
Letters from War
Edelmütig und erhaben sollen die Briefworte, die aus António Lobo Antunes "Leben, auf Papier beschrieben" verlesen werden, klingen. Doch die schwarz-weiße Prätention von Ivo M. Ferreiras Bilderkosmos erzeugt statt Atmosphäre nur schläfrige Monotonie. Nicht das Drama Krieg und auch kein Liebeszeugnis werden auf der Leinwand vorgeführt, sondern ein antiquiertes Ideal des Soldaten als tragischen Helden.
"Die Briefe in diesem Buch wurden von einem 28-jährigen Mann in der Vertrautheit seiner Beziehung zu seiner Ehefrau geschrieben, isoliert von allem und jedem für zwei Jahre während des Kolonialkriegs in Angola", stellen die Töchter des Autors, Maria José und Joana Lobo Antunes, der Verfilmung voran. "Ohne je daran zu denken, dass sie eines Tages von jemand anderem gelesen werden würden." Diese ungesicherte Behauptung rückt die (Selbst)Darstellung des Protagonisten und Erzählers in das Licht eines authentischen Tatsachenberichts. Allerdings beschleicht einen früh das Gefühl, das an dem schwülstigen Briefroman so einiges konstruiert und romantisiert ist. Zwei Jahre war António Lobo Antunes (gespielt von Miguel Nunes) Anfang der Siebziger in Angola stationiert. Fast täglich schrieb er seiner Frau Maria-José (Margarida Vila-Nova) Briefe, in denen er seine Liebe für sie mit oft kurioser Wortwahl beschwört und seine Erlebnisse als Militärarzt schildert. Die traumatischen Erlebnisse nehmen in seiner Laufbahn eine ambivalente Stellung ein. Angeblich ließen sie Antunes nie los. Fakt ist hingegen, das fast sein ganzes Werk auf ihnen basiert und er ohne seinen Kriegseinsatz wohl nie Schriftsteller geworden wäre. Die pathetischen Vignetten feiern folglich lieber das prickelnde Gefühl, eine Waffe zu halten und beschreiben die belebende Wirkung der Vergewaltigung eines angolanischen Kindes, statt Grauen und Gewalt. Maria-José dient dabei dem Protagonisten lediglich als Sprachrohr, ohne eigene Stimme. Ihr Wesen bestimmt allein die Umschreibung Antonios, die sie vorliest. "Meine Gazelle, mein Vergiss-mein-nicht, meine Geliebte", nennt er sie und "mein Milky Way". Ironischerweise wirkt sie durch diese Überhöhung zu allem, was eine Frau in einem patriarchalischen Konzept für einen Mann sein kann ("meine Tochter, meine Mutter, meine Gemahlin") völlig entpersonalisiert. Die einzige Frau, die in der Story kein Gegenstand zur Befriedigung ist, ist ein Wunschideal, um die andere den kühnen Liebhaber beneiden sollen. Nicht nur hier wachsen Zweifel an der Objektivität der Aufzeichnungen. Antonio nennt seine Frau "meine Anna Karenina" und "Aladdins Lampe", als sähe er sie beide als Helden eines exotischen Märchens oder Romans. "Einen Roman", lautet auch seine Antwort als ein Soldat ihn fragt: "Was schreibst du immer in dieses Notizheft, Doktor?" Die Crux bei Ferreiras schleppender Inszenierung ist der zumindest implizit vorhandene Anspruch auf historische und biografische Wahrhaftigkeit. Die doppelt vorbelastete Position des Briefschreibers als jemand mit literarischen Ambitionen und ein an den Kriegshandlungen Beteiligter soll eine grandiose Heldensaga übertünchen. Die zähen Bilder von Kameramann Joao Ribeiro dienen dabei einer fragwürdigen Überhöhung des Krieges. Ein Lied von Liebe und Tod, das ist es scheinbar, was dem Regisseur vorschwebte. So fabuliert er aus opernhaftem Edelkitsch ein hollywoodeskes Schaustück, getragen von einem romantisierten Machismo: "Ich werde etwas brutaler sein. Etwas männlicher." Das ist nicht elegisch, es ist albern. Lida Bach /
Wertung: *
(1 von 5)
Quelle der Fotos: Berlinale Filmdaten Letters from War (Cartas da guerra) Portugal 2016 Regie: Ivo M. Ferreira; Darsteller: Miguel Nunes (António), Margarida Vila-Nova (Maria-José), Ricardo Pereira (Major M.), Joao Pedro Vaz (Kapitän Melo Antunes), Joao Pedro Mamede (Leutnant/Ausbilder), Simao Cayatte (Leutnant Eleutério), Francisco Hestnes (Korporal Carica), Tiago Aldeia (Soldat Ferreira), Orlando Sérgio (Catolo), Isac Graca (Leutnant Hilário) u.a.; Drehbuch: Ivo M. Ferreira, Edgar Medina, nach dem gleichnamigen Buch von António Lobo Antunes; Produzent: Luís Urbano; Kamera: Joao Ribeiro; Schnitt: Sandro Aguilar; Länge: 105 Minuten; deutscher Kinostart: unbekannt
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