13.02.2013
Wer einmal lügt

Layla Fourie


Layla Fourie: Rayna Campbell (links) "Lügner sind nervöser", erwidert Layla, gefragt, ob sie ohne Lügendetektor einen Lügner erkennen könnte. Die junge Südafrikanerin (Rayna Campbell) ist nicht nervös. Sie hat Angst. Angst, dass ihr Kartenhaus aus Stillschweigen, Verheimlichung und Vertuschung, ihre mühsam gewahrte Fassung, ihre Zukunftspläne für den kleinen Sohn Kane (Rapule Hendricks) einstürzen. "Es wäre besser, es gäbe keine Lügen", sagt sie. Doch dann hätte sie nicht die Berufschance in der Polygrafie. Eine sehr ungewöhnliche Tätigkeit, bemerkt ihr zukünftiger Boss: "Für jemanden wie Sie es sind." Eine Frau, Schwarze, alleinstehende Mutter, eine von den Armen. Für "Layla Fourie", die Titelfigur von Pia Marais' angespanntem Charakterporträt als Allegorie einer von Furcht beherrschten Gesellschaft.

"Bei der Wahrheit gibt es kein Dazwischen", erklärt ihr beim Vorstellungsgespräch der Firmenleiter Mr. Khumalo (Rapulana Seiphemo): "Man ist entweder ehrlich oder nicht." Doch die abweisende Protagonistin weiß so gut wie das nach ihr benannte Drama um die zahllosen diffusen Abstufungen von Aufrichtigkeit. Nie kann man ihrer gewiss sein. Nicht auf dem Arbeitsweg, auf dem sie mit Kane den Schauplatz eines fatalen Verbrechens passieren muss. Nicht beim Bewerbungsgespräch, wo Layla sich am eigenen Leib von ihrem Arbeitsapparat prüfen lassen muss. Nicht bei den Probeaufträgen, wo ein Fehler die als Barkellnerin und Frisörin Arbeitende um die hart erkämpfte Option auf einen seriösen Job bringen kann. Am wenigsten nachts auf einer einsamen Autobahn, wo sich ein fremder Wagen an ihren hängt und vor ihr auf der Straße ein zweites Auto wartet. Layla ist keine jener Filmfiguren, die Gefahren in die Arme laufen. Sie schätzt die Lage blitzschnell ein. Und schätzt falsch.

Layla Fourie: August Diehl "Für manche Menschen hat ein Leben keinen Wert", klagt Constanza (Terry Norton), in deren Villa Layla und Kane am nächsten Abend essen. Weil Layla Angst hat, Kane allein zu lassen und ihn auf Arbeit mitnehmen musste. Weil ihr erster Firmenklient Angst hat einen Chauffeur ohne Lügentest anzustellen. Weil Constanzas Stiefsohn Eugene (August Diehl) von ihr als Chauffeur getestet wird. Weil Eugene Angst hat vor der Fahrigkeit der Stiefmutter und um seinen Vater, der von einer Kasino-Tour nicht zurückgekehrt ist. Layla erkennt den grauhaarigen Mann auf den Familienfotos und den Teufelskreis, in dem sich ihre rastlose Schuldflucht dreht. "Eine Lüge führt zur nächsten", sagt sie, bevor der verflochtene Plot ihre Worte prophetisch macht. Es sei wie eine Spirale, die sich weiter und weiter drehe; eine Spirale, welche die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin mit kühlem Blick für das Zusammenspiel von Sozio- und Psychodynamik zuschraubt. "Der Zweck von dem hier ist nicht Ihre dunkelsten Geheimnisse zu enthüllen", sagt Layla zu Eugene während seines Tests.

Letzter ist ein unheilvolles Komplementär des Charaktertests der von Rayna Campbell intensiv verkörperten Protagonistin bestehen muss. Ihren Beruf sucht sie in der einen Branche, die von der gefühlten und realen Bedrohung profitiert: Sicherheit. Das Grundbedürfnis einer jeden Person und sozialen Gemeinschaft, das in der Empfindungsstudie fehlt, lässt sich nicht produzieren, lediglich konstruieren. Die Mittel dazu sind zugleich Indizien und Katalysatoren allgegenwärtiger Paranoia. Alarmanlagen, Überwachungskameras, Notrufknöpfe, Sicherheitszäune und Einbruchswarnsysteme versprechen trügerischen Schutz und steigern dabei die kollektive Panik. "Dein Problem ist, dass du voller Furcht bist", sagt Eugene zu Layla, deren innere Abschottung symptomatisch für die äußere einer ganzen Gesellschaft steht. Lügner hätten zwei Antworten auf dieselbe Frage, heißt es einmal: "Die Wahrheit und die Lüge." Welche die im Einzelfall bessere ist, ist dem Betrachter überlassen.  

Lida Bach / Wertung: * * * (3 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Pandora Film

 
Filmdaten 
 
Layla Fourie (Layla Fourie) 
 
Deutschland / Südafrika / Frankreich / Niederlande 2013
Regie: Pia Marais;
Darsteller: Rayna Campbell (Layla Fourie), August Diehl (Eugene Pienaar), Rapule Hendricks (Kane), Terry Norton (Constanza Viljoen), Rapulana Seiphemo (Sipho Khumalo) u.a.;
Drehbuch: Horst Markgraf, Pia Marais; Produktion: Pandora Film Produktion GmbH; Kamera: André Chemetoff; Musik: Bachar Khalife; Schnitt: Chris Teerink, Mona Bräuer;

Länge: 111,33 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Real Fiction Filmverleih; deutscher Kinostart: 4. Juli 2013
ein Film im Wettbewerb der 63. Berlinale 2013



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der Film im Katalog der 63. Berlinale 2013
<13.02.2013>


Zitat

"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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