05.02.2008
Zurück zu den Wurzeln

Into the Wild


Into the Wild Christopher Johnson McCandless (Emile Hirsch) hat alles. Er ist in einer wohlsituierten Familie aufgewachsen, das College liegt mit Einser-Abschluss hinter ihm, der 22-Jährige könnte eine glanzvolle Karriere starten. Aber er flüchtet. In das Dasein eines Aussteigers. Die Kreditkarte wird vernichtet, Bargeld verbrannt, das Auto stehen gelassen: McCandless trampt zwei Jahre lang kreuz und quer durch die USA, bis er 1992 in der Wildnis Alaskas verhungert.
Diese wahre Begebenheit ist der Inhalt des Tatsachenromans "In die Wildnis - Allein nach Alaska" des Bergsteigers und Schriftstellers Jon Krakauer. Das Buch wurde 1996 ein Bestseller. Hollywood-Schauspieler Sean Penn hat es in seiner vierten Regiearbeit verfilmt.

Einmal in “Into the Wild“ ist George Bush Senior zu sehen. Wie er 1990 seine Landsleute in einer Fernsehansprache auf den ersten Golfkrieg gegen Saddam Husseins Irak vorbereitet. Auf den ersten Blick hat ein Krieg scheinbar nichts mit dem Inhalt dieses Films zu tun. Kennt man aber Regisseur Sean Penn, so weiß man, dass die Darstellung des Ex-Präsidenten und Präsidentenvaters in einem größeren Zusammenhang steht. Penn ist ein Gegner des während des Kinostarts von “Into the Wild“ aktuellen Irak-Kriegs, den der Sohn von Bush Sr. begann. Ein Krieg, der wegen seiner Erfolglosigkeit immer häufiger mit dem Vietnam-Krieg verglichen wird. Damals, Ende der 60er Jahre, entstand die Hippie-Bewegung als Gegenkultur zum Mainstream. Das Ziel war die Selbstverwirklichung der jungen Leute. In “Into the Wild“ begegnet man wieder Hippies, auch wenn sie in die Jahre gekommen sind. Bei den Aussteigern wird McCandless auf seiner Wanderschaft eine Zeitlang bleiben. So erinnert Sean Penn an Vietnam und kritisiert die Bushs. Und die Selbstverwirklichung, sie bildet das Kernstück von Penns Film. Denn Christopher McCandless schert sich nicht um die Meinung anderer. Nach dem College-Abschluss verlässt er Eltern (Marcia Gay Harden, William Hurt) und Schwester (Jena Malone) ohne ein Wort des Abschieds. Sein Ziel ist: trampen. Als Backpacker unterwegs sein. Zu sich selbst finden. Selbstverwirklichung.

Into the Wild: Kristen Stewart, Emile HirschIn nichtlinearer Erzählweise beginnt der Film mit der Darstellung der Endstation auf diesem Weg: Alaska. Und springt immer wieder in Rückblenden zu den Episoden auf dem Weg dorthin, wie McCandless kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten reist. Andere Menschen trifft. Farmer (u.a. Vince Vaughn) in South Dakota, bei denen er den Umgang mit Erntemaschinen lernt. Hippies (Catherine Keener, Brian Dierker) im nördlichen Kalifornien, die für ihn zu Ersatz-Eltern werden. Ein dänisches Pärchen, das am Colorado River viel Spaß hat. Eine 16-jährige Country-Sängerin (Kristen Stewart), wieder in Nord-Kalifornien, die gern Sex mit Christopher hätte (aber nicht bekommt). Einen Rentner (der für seine Rolle Academy-Award-nominierte Hal Holbrook), der den jungen Einzelgänger am liebsten adoptieren würde.

All diesen Menschen kommt Chris nahe, aber er kann nicht bei ihnen bleiben. Er will nach Alaska. Dort hofft er, keinen Menschen mehr anzutreffen und nur noch von der Natur zu leben, inspiriert von Jack Londons “Der Ruf der Wildnis“ und Henry David Thoreaus “Walden. Ein Leben in den Wäldern“. Er scheitert, und nachdem ihm der Rückweg abgeschnitten worden ist - ein kleiner Fluss ist zum reißenden Strom geworden -, stirbt er den Hungertod. Im August 1992 wurde der Leichnam des 24-jährigen Chris McCandless von einem Elchjäger im Denali National Park Alaska aufgefunden. Eine Straße war nur wenige Kilometer entfernt. Das wusste McCandless aber nicht: Er verzichtete aus Selbstüberschätzung auf Landkarten.

Filmplakat Into the WildDer Film idealisiert die Hauptfigur und zeigt sie ohne kritische Distanz: Sean Penn stellt den jungen Mann als Held aller Aussteiger dar. Dabei handelt McCandless nicht vorbildlich, sondern weitgehend ohne Plan (er weiß nicht, wie man Feuer macht). Er ist skrupellos und ohne Selbstzweifel. Er will zurück zu den Wurzeln auf Kosten anderer: Seine Eltern und Schwester zerfleischen sich daheim in Selbstkritik, was sie falsch gemacht haben mit Chris.

Der Film ist intelligent nach dem Schema eines Entwicklungsromans aufgebaut. Chris‘ Lebensweg wird erst mit Beginn der Wanderschaft unterteilt in die Kapitel Geburt, Kindheit, Erwachsensein, Familie, Weisheit. So steht “Geburt“ für den Start als Tramper, das letzte Kapitel “Weisheit“ für McCandless‘ zu spät kommende Erkenntnis, das Glück lieber mit anderen Menschen teilen zu wollen. So stirbt McCandless für sich allein.

Darsteller Emile Hirsch, 22 Jahre alt während der Dreharbeiten, hat sich für die letzten Wochen im Leben des Chris McCandless 20 Kilogramm heruntergehungert. Hirsch bringt auch ansonsten eine große Leistung, so wie es einer von Sean Penns besten Filmen ist. “Into the Wild“ ist ein Film, der überraschend zurückhaltend bei schwelgerischen Naturaufnahmen ist und trotz des Themas nicht mit Pathos übertreibt. Kompliziert ist der Film nur beim Springen zwischen den einzelnen Erzählebenen. Leider ist “Into the Wild“ für die Academy Awards 2008 nur in zwei Kategorien nominiert worden. Bei den Golden Globes 2008 konnte nur der frühere Pearl Jam-Sänger Eddie Vedder eine Auszeichnung für den besten Song erhalten.  

Michael Dlugosch / Wertung: * * * * (4 von 5) 
 

Quelle der Fotos: Tobis

 
Filmdaten 
 
Into the Wild (Into the Wild) 
 
USA 2007
Regie: Sean Penn;
Darsteller: Emile Hirsch (Christopher McCandless), Marcia Gay Harden (Billie McCandless), William Hurt (Walt McCandless), Jena Malone (Carine McCandless), Catherine Keener (Jan Burres), Brian Dierker (Rainey), Vince Vaughn (Wayne Westerberg), Kristen Stewart (Tracy), Hal Holbrook (Ron Franz), Zach Galifianakis (Kevin), Cheryl Francis Harrington (Sozialarbeiterin), Thure Lindhardt (Thomas), Signe Egholm Olsen (Thomas’ Freundin), Steven Wiig (Ranger Steve Koehler), Haley Ramm (junge Carine) u.a.; Drehbuch: Sean Penn nach dem Buch von Jon Krakauer; Produktion: Art Linson, Sean Penn, William Pohlad; Ausführende Produktion: David Blocker, Frank Hildebrand, John J. Kelly; Kamera: Eric Gautier; Musik: Michael Brook, Kaki King, Eddie Vedder; Länge: 148 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von Tobis; deutscher Kinostart: 31. Januar 2008



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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