19. Oktober 2006

Ein Bank-Geheimnis ... und wie man es knackt

Inside Man


Eine klassische Bankraub-Geschichte, so hat es zunächst den Anschein: Detective Keith Frazier (Denzel Washington) steckt privat und beruflich gerade in der Krise, als er mit der Leitung eines polizeilichen Großeinsatzes betraut wird. Schauplatz des Geschehens ist die New Yorker Hauptzentrale der "Manhattan Trust Bank", die in einer Blitzaktion von vier vermummten Gestalten überfallen und hermetisch abgeriegelt wurde. Am Tatort angekommen, wird Frazier schnell klar: Er hat es hier keineswegs mit herkömmlichen Kriminellen, sondern mit äußerst raffinierten und noch dazu schwarzhumorigen Filigran-Handwerkern zu tun. Der Grundgedanke von Dalton Russell (Clive Owen), dem kreativen Kopf der Einbrecher, ist so genial wie simpel: Indem er und seine Komplizen nicht nur sich selbst, sondern auch die rund fünfzig in der Bank festgesetzten Geiseln von Beginn an in die nichtssagenden Anzüge von Anstreichern einmummen, machen sie eine anschließende Täter-Identifizierung so gut wie unmöglich. Als die Polizei schließlich das Gebäude stürmt, findet sie denn auch bei keinem der dort Aufgegriffenen auch nur einen Dollar Diebesgut. Erst als Fraziers Aufmerksamkeit auf ein geheimnisvolles Bankschließfach gelenkt wird, beginnt Licht ins Dunkel dieses mysteriösen Coups zu fallen...

Nach mehreren kommerziellen Misserfolgen brauchte Hollywoods afroamerikanischer Vorzeige-Regisseur Spike Lee einen neuen Hit an der Kinokasse. Der ist ihm mit "Inside Man" geglückt. Bereits am Startwochenende spielte der Film weit über die Hälfte seines Budgets wieder ein. Zu danken ist dies in erster Linie einer grandiosen Besetzung, die selbst in Nebenrollen Stars wie Jodie Foster und Willem Dafoe zu präsentieren vermag. Die Hauptfigur selbst, dem mit der Lösung des kniffligen Falls betrauten Detective, ist mit dem zweifachen Oscar-Preisträger Denzel Washington besetzt. Dieses Star-Aufgebot dürfte auch der Grund sein, warum Regisseur Lee, der mit eigenwilligen Low-Budget-Produktionen wie "She's Gotta Have It" (1986) oder engagiert gesellschaftskritischen Polit-Filmen vom Schlage eines "Malcolm X" (1992) bekannt wurde, mit "Inside Man" wohl seinen glattesten und in vielerlei Hinsicht am stärksten dem Mainstream verpflichteten Film abgeliefert hat - relativ gesehen.

Sicher, es gibt sie auch hier, die inszenatorischen Kabinettstückchen und die satirischen Spitzen in Richtung des paranoiden Melting Pot USA - so etwa, wenn Denzel Washington nach einer vermeintlichen Geiselhinrichtung wie apathisch auf einem Dolly in Richtung Kamera gleitet oder die Polizisten bei der Demaskierung einer freigelassenen indischen Geisel entnervt stöhnen: "Das ist ja auch noch ein Araber!"

Doch im Ganzen muss man Lee das Bemühen unterstellen, einen mitreißenden und spannungsgeladenen Actionfilm vorlegen zu wollen. Dieser Vorsatz allerdings geht gründlich daneben, da der Regisseur seine biographischen Wurzeln im US-amerikanischen Independent-Kino zu keinem Zeitpunkt wirklich verleugnen kann. Daher springt er mitunter zu eigensinnig mit den narrativen Regeln Hollywoods um.

So kippt "Inside Man", der in der ersten halben Stunde wie ein konventioneller Genrefilm à la "Stirb langsam" beginnt, im Lauf der Erzählung immer mehr um in eine surreale Komödie voller grotesker Einfälle und bizarrer Dialoge. Der eigentliche Bankraub rückt dabei zunehmend in den Hintergrund – denn schließlich hat es Detective Frazier mit allemal Wichtigerem zu tun: einer Albanerin mit einer ganzen Tasche voller Strafzettel zum Beispiel oder der offenbar wichtigen, für seine Mission aber vollkommen unerheblichen Frage nach der Auslastung des New Yorker Eisenbahnsystems.

Anhand solcher Passagen erweist sich Lee, der Vorreiter des New Black Cinema, einmal mehr als famoser Fabulierkünstler, der dem vermeintlich nervenzerreißenden Thriller in vielen Szenen schon allein durch den irritierenden Einsatz von Jazz-Musik den Anstrich eines relaxten Feelgood-Movies verpasst. Zwischendurch freilich gibt es immer wieder Zugeständnisse an das Genre und so folgt auf einen coolen Oneliner der Kategorie Quentin Tarantino plötzlich wieder eine Szene beklemmender Intensität, so etwa, wenn einer der Geiseln hinter einer Blindglaswand bewusstlos geschlagen wird oder der gleißende Strahl einer Taschenlampe auf verängstigt am Boden kauernde Menschen fällt. Auf diese Weise bleibt der Zuschauer letztlich stetig hin- und hergerissen zwischen absurdem Humor und unverhohlener Gewalttätigkeit, satirischen Regelbrüchen und konventionellem Genrekino - verunsichert durch einen Film, der sich unablässig selbst demontiert.

Mit "Inside Man" hat Spike Lee einen durchaus subversiven Film gedreht, dessen Dialoge Potential zur Verewigung im populärkulturellen Zitatenschatz haben. Als narratives System aber findet der eigenwillige stilistische Mix nie wirklich zu sich selbst und lässt am Ende so auch den Betrachter im Kinosessel ratlos und zwiegespalten zurück. Wie so oft, so gilt auch in diesem Fall: Etwas weniger artistische Spielerei wäre hier sicherlich mehr gewesen.  

Christian Heger /  Wertung:  * * * (3 von 5) 
  

 

 
Filmdaten 
 
Inside Man (Inside Man) 

USA 2006
Regie: Spike Lee;
Darsteller: Denzel Washington (Detective Keith Frazer), Clive Owen (Dalton Russell), Jodie Foster (Madeline White), Christopher Plummer (Arthur Case), Willem Dafoe (Captain John Darius), Chiwetel Ejiofor (Detective Bill Mitchell), Ashlie Atkinson u.a.;

Drehbuch: Russell Gewirtz; Produktion: Brian Grazer; Schnitt: Barry Alexander Brown; Kamera: Matthew Libatique; Musik: Terence Blanchard;
deutscher Kinostart: 23. März 2006; Länge: 90 Minuten; FSK: ab 12 Jahren; ein Film im Verleih von United International Pictures



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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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